Schwere Kröten

AUS BERLIN MAURITIUS MUCH

Genau drei Monate nach dem Beginn der Ärztestreiks haben die Tarifparteien einen Kompromiss gefunden. Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) und der Marburger Bund einigten sich am Freitag in Berlin auf einen neuen Tarifvertrag für die rund 22.000 Ärzte in Unikliniken und Landeskrankenhäusern. Jetzt muss die Große Tarifkommission des Marburger Bunds am Dienstag über die Annahme des Vertrages über die Einigung abstimmen. Die Streiks sollen ab Montag reduziert werden.

Die Tarifparteien einigten sich darauf, dass Ärzte für Bereitschaftsdienste an Feiertagen 25 Prozent Aufschlag erhalten. Zudem würden die Einkommenserhöhungen auf den 1. Juli vorgezogen. Dadurch erhielten vor allem junge Ärzte deutlich mehr Gehalt, sagte ein Sprecher des Marburger Bundes. Allerdings konnte sich der Marburger Bund mit seiner Forderung nicht durchsetzen, dass junge Ärzte in den ersten beiden Jahren monatlich 100 Euro mehr verdienen sollten als in Abschluss mit Ver.di vor vier Wochen. Das sei eine von „zwei schweren Kröten“, die der Marburger Bund habe schlucken müssen.

Der andere Punkt, bei dem die Ärzte nachgeben mussten, betrifft die Mediziner in Ostdeutschland. Hier wollte der Marburger Bund erreichen, die Bezüge der Ärzte an das Westniveau anzugleichen. Gerade die ostdeutschen Finanzminister hätten dagegen „massiven Widerstand geleistet“. Nun wolle man versuchen, in dieser Frage über so genannte Länderöffnungsklauseln weiterzukommen, sagte der Vorsitzende des Marburger Bundes, Frank Ulrich Montgomery.

Der TdL-Vorsitzende und niedersächsische Finanzminister Hartmut Möllring sieht die Einigung als Erfolg für die Arbeitgeber: „Wir sind mit unserem Angebot durchgedrungen.“ Der vereinbarte Tarifvertrag sei „praktisch identisch“ mit dem, der mit Ver.di abgeschlossen worden sei. Die Ärzte bekommen nun im Westen ein Gehalt von 3.600 Euro im ersten und 3.800 Euro im zweiten Jahr, im Osten sind es 3.200 und 3.400 Euro. Die Ärztegewerkschaft hatte es lange abgelehnt, den von Möllring mit Ver.di abgeschlossenen Tarifvertrag für die Ärzte zu übernehmen.

Allerdings musste Verhandlungsführer Möllring einräumen, dass auf die Länder nun erhebliche Mehrkosten zukämen. Die Verhandlungen seien „ausgesprochen schwer“ gewesen, sagte Möllring. Dies sei aber absehbar gewesen.

Montgomery sprach von einem „akzeptablen Ergebnis“. Es sei politisch ein Riesenerfolg. Man habe einen eigenständigen Tarifvertrag erkämpft, so dass die Ärzte „ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen“ könnten. Bis zum Herbst vergangenen Jahres handelte Ver.di die Tarifverträge auch für die Ärzte an Unikliniken und Landeskrankenhäuser aus. Im November trat der Marburger Bund aus der Tarifgemeinschaft aus und strebte einen eigenen Tarifvertrag für die Mediziner an – mit Erfolg.

Montgomery betonte zugleich, es werde „noch ein hartes Stück Arbeit“, bei der Basis um Zustimmung für den Tarifvertrag zu werben. Die Große Tarifkommission des Marburger Bundes berät am Dienstag über das Ergebnis.

Montgomery sagte, er wolle den erreichten Abschluss nun auch mit zum Vorbild bei den festgefahrenen Verhandlungen um die 70.000 Ärzte an kommunalen Kliniken nehmen. Die MB-Tarifkommission will an diesem Dienstag entscheiden, ob die Verhandlungen mit der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) für gescheitert erklärt wird. Die VKA lehnte es umgehend ab, den TdL-Vertrag als Vorbild zu nehmen.