WER FÜR DIE DREIJÄHRIGE TOCHTER TIERFOTOS GOOGELN MÖCHTE – SOLL ES BITTE NICHT TUN!
: Kein Krokodil in Bullerbü

JOSEF WINKLER

Morgen, Kinder, wird’s was geben – und das haben Sie hoffentlich nicht im Internet bestellt! Hm? Nach jedem Adventswochenende gibt’s ja den Zwischenstand, wie zufrieden „der Einzelhandel“ mit uns Konsumvolk ist, und dann kann jeder sein Gewissen erforschen, ob er genug für die wirtschaftliche Stabilität Deutschlands getan hat. Na? Ich darf sagen, wir haben am Samstag mit ein paar Last-Minute-Panikkäufen hier in Haidhausen noch unterstützend eingegriffen. Auf dem Adventsmarkt gab’s dann noch ein Krokodil aus Holz vom Männerfürsorgeverein und eines aus Luft und Latex vom „Luftballonkünstler“. Die Tochter steht gerade voll auf Krokodile.

Wieder daheim, tat ich etwas, was ich bisher hatte sein lassen, von wegen „Bildschirmkonsum“. Die Rede war auf Gorillas gekommen, ich klappte das Laptop auf und googelte mit meiner Tochter Gorillafotos. Hier, der grantige Silberrücken. Da, die schöne Gorillamama und das süße Gorillababy. Tierbilderglotzen – was kann da schiefgehen im bösen, bösen Internet? Magst du noch ein anderes Tier sehen? Klar: ein Krokodil!

Freitag Jürn Kruse Fernsehen Montag Anja Maier Zumutung

Donnerstag Ambros Waibel Blicke

Freitag Michael Brake Nullen und Einsen

Montag Maik Söhler Darum

NEIN, Halt! Tun Sie’s nicht! Was immer Sie anficht, googeln Sie NICHT „Krokodil“. Wenn Sie eine große grüne Echse sehen wollen, googeln sie „Crocodile“. Oder „Alligator“, „Glattstirnkaiman“, „Gangesgavial“ oder „Nilkrokodil“, aber NIEMALS und UNTER KEINEN UMSTÄNDEN „Krokodil“. Schon gar nicht mit ihrer dreijährigen Tochter auf dem Schoß. Es ist nämlich etwas Entsetzliches passiert, jenseits der Vorstellungskraft bzw. des Vorstellungswillens von, sagen wir’s mal so: normalen Menschen. Kranke Hirne und eine verrückt gewordene Gesellschaft haben etwas hervorgebracht, das … Was? Nein, nicht „Grokodeal“, da blühen einem bei der Bildersuche Merkel, Seehofer und der Stolzeste Sozialdemokrat Der Welt beim Wettgrinsen. Auch eklig, klar, aber es gibt noch Schlimmeres. Es gibt zum Beispiel eine Droge, die das Gewebe der Süchtigen zersetzt, sodass Gliedmaßen und Rümpfe aussehen, als wären sie von wilden Tieren zerfleischt und angefressen worden. Und irgendein blöder Arsch kam auf die Idee, diese Droge „Krokodil“ zu nennen, und darum kriegt man heute, wenn man „Krokodil“ googelt – das unschuldige Krokodil, of Kasperltheater und Heinz Sielmann fame –, die allergrässlichsten Bilder des Grauens vor den Latz geknallt, und zwar eine komplette Seite voll. Eine Sekunde lang starren wir fassungslos auf den Bildschirm. „Oh Gott“, stößt die Kindsmutter hervor, „das ist dieses Drogending, oder?“ Hektisch hieve ich das Laptop aus dem Blickfeld und versuche, diese Seite wegzuklicken, gebeutelt von Abscheu und Angst um das geistig-seelische Heil meiner Tochter. Die hat gleich kapiert, dass ihr da etwas Abgefahrenes vorenthalten werden soll, und zerrt an meinem Arm: „Ich will das Drogending sehen! Ich will das Drogending sehen!“ Es sind adventliche Familienszenen wie diese, da man sich fragt: In was für einer Welt leben wir eigentlich? Jetzt klapp die Dreckskiste zu, her mit dem „Weihnachten in Bullerbü“-Bilderbuch, und dann will ich von der ganzen Scheiße ein paar Tage nichts mehr sehen. Frohes Fest.