Ermittlungen in einem ganz großen Dunkelfeld

KORRUPTION Die Zahl der Verfahren sinkt, doch der finanzielle Schaden steigt, so das BKA

BERLIN taz | Die Anzahl der Korruptionsverfahren sinkt auf den niedrigsten Stand seit Jahren, doch der finanzielle Schaden durch Korruption steigt: Mit 1.373 Ermittlungsverfahren wegen Korruption gab es im vergangenen Jahr so wenige Verfahren wie zuletzt im Jahr 2004. Im Vergleich zum Jahr 2011 bedeutet dies einen Rückgang von mehr als 10 Prozent, wie aus dem neuen Bundeslagebild des Bundeskriminalamts (BKA) zur Korruption im Jahr 2012 hervorgeht.

Doch zugleich steigt der finanzielle Schaden durch Korruption um mehr als 28 Prozent auf rund 354 Millionen Euro. Dabei erfasst das nur die bekannt gewordenen Fälle. „Bei einem vermuteten großen Dunkelfeld und mittelbaren sowie volkswirtschaftlichen Schäden muss ein tatsächlich höherer Schaden angenommen werden“, schreibt das BKA in seinem Lagebild.

Spitzenreiter NRW

Die meisten Korruptionsverfahren hatte nach Recherchen der taz das Land Nordrhein-Westfalen. 348-mal leitete die Polizei dort Ermittlungsverfahren ein. Auf den Plätzen zwei und drei folgen Niedersachsen mit 218 und Brandenburg mit 172 Verfahren. Schlusslicht ist Bremen mit nur neun Verfahren. Auch in Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern war die Polizei kaum erfolgreich und konnte nur je 13 Verfahren einleiten.

Doch offensichtlich sind die Bundesländer unterschiedlich eifrig dabei, Korruptionsdelikte aufzuspüren. Hohe Zahlen bedeuten nämlich nicht, dass es viel Korruption gibt, erklärt Gisela Rüß, Leiterin der Arbeitsgruppe Bundes- und Landesverwaltung von Transparency International. „Vielleicht waren die Ermittler nur erfolgreicher und die Bevölkerung sensibler.“ Rüß fordert, dass das Bundeslagebild in Zukunft detaillierter Auskunft gibt, etwa zum Ausgang der Ermittlungsverfahren.

Das Hauptziel der Täter ist die allgemeine öffentliche Verwaltung. Doch auch Wirtschaft, Justiz und Politik sind betroffen. So gab es im vergangenen Jahr 15 Fälle von Abgeordnetenbestechung: 4 in Nordrhein-Westfalen, 11 in Brandenburg.

Wie wichtig das Bundeslagebild zur Korruption ist, zeigt Hessen. Obwohl das dortige Landeskriminalamt an den Bund 62 Verfahren meldete, lehnte es gemeinsam mit dem hessischen Innenministerium Auskünfte darüber ab. Weil die Staatsanwaltschaften für die Ermittlungen zuständig seien, sollen Presse und Bürger stattdessen rund ein Dutzend Staatsanwaltschaften abklappern. Oder sie warten bis zum Dezember 2014 auf die BKA-Zahlen. ANDREAS MAISCH