Der lange Weg nach Deutschland

Drei Iraner haben eine Einladung nach Deutschland, nur zwei bekommen ein Visum, und das ist auch noch fehlerhaft. Das Auswärtige Amt rechtfertigt sein rigides Vorgehen mit jahrelanger Praxis, die weit vor die Visa-Affäre zurückreicht

AUS BERLIN MAURITIUS MUCH

Ulrich Hallier wollte sich einfach nur revanchieren. Für die iranische Gastfreundschaft. Ein paar Mal schon wohnte der Archäologe von der Uni Düsseldorf bei seinen Freunden Esmail Towhidi und Mohammad Tschupan im ostiranischen Freimann. Gemeinsam haben sie nach Überresten des antiken Volkes der Sassaniden gegraben.

„Die haben mich und meine Frau immer wie Könige behandelt“, erinnert sich Hallier. Nach seinem letzten Besuch im vergangenen Herbst lud Hallier Mohammad, Esmail und dessen Frau nach Deutschland ein. Aber die Hürden sind hoch für Besuch aus dem Land von Machmud Ahmadinedschad.

Iraner, die nach Deutschland reisen wollen, brauchen nicht nur ein Besuchervisum für drei Monate, sondern auch eine offizielle Einladung von einem deutschen Staatsbürger. Dazu muss der eine Verpflichtungserklärung unterschreiben, dass er für seine Gäste haftet, eine Bürgschaft in Höhe von 5.000 Euro hinterlegen und eine Krankenversicherung abschließen.

Ein bisschen viel für einen Besuch von Freunden, fand Hallier. Doch er erledigte den Papierkram, und seine beiden Freunde bekamen das Visum. Nicht aber Esmails Frau Sahra. Und die deutsche Botschaft in Teheran nannte keinen Grund für die Ablehnung. „Das ist es, was mich so wahnsinnig macht“, sagt Hallier. Eine Stunde lang hätten seine drei Freunde in der deutschen Botschaft Mitte Mai vorgesprochen, um das Visum zu bekommen. „Und dann sagt man Sahra nicht einmal, warum sie nicht ausreisen darf“, schimpft Hallier.

Im Auswärtigen Amt kann man die Aufregung nicht verstehen. „Das ist eine Vorschrift im Ausländergesetz, dass die Gründe für die Ablehnung des Antrags nicht mitgeteilt werden“, sagt Sprecher Michael Ebel. Genauso verfährt das Auswärtige Amt bei Visaanträgen aus 146 anderen Staaten – und das nicht erst seit dem 11. September oder dem Skandal um die massenhafte Erteilung von Visa in der deutschen Botschaft in Kiew. Besucher aus Nicaragua, Venezuela oder Brunei haben es leichter. Sie brauchen sich nicht von ihren deutschen Freunden einladen lassen, sondern bekommen das Visum problemlos.

Warum aber erhalten die beiden Männer ihre Visa, nicht aber Sahra Towhidi? Da Ulrich Hallier keinen offiziellen Grund erfahren hat, muss er spekulieren. Er denkt, dass die deutschen Behörden befürchten könnten, Sahra wolle die Reise nutzen, um in Deutschland zu bleiben und zu arbeiten. „Die deutsche Botschaft wollte in den Gesprächen mit den dreien ganz genau wissen, welchen wirtschaftlichen Hintergrund sie haben“, erzählt Hallier. Esmail ist ein Großgrundbesitzer, Mohammed leitete eine Zuckerrohrfabrik. Beide seien reich und hätten kein Grund, nach Deutschland zu flüchten. Zumal beide schon mehrmals in Deutschland zu Gast waren. Anders hingegen sieht es bei Sahra Towhidi aus. Sie ist zwar Esmails Frau, war aber noch nie in Deutschland. „Außerdem ist sie erst 44 und könnte in den Augen der deutschen Behörden schon noch arbeiten“, vermutet Hallier.

Anfang Juni hat Sahra Towhidi von ihrer Ablehnung erfahren. Schweren Herzens ließ sie ihren Mann und dessen Freund Mohammed alleine fahren. Die beiden sind am Pfingstmontag aus dem Ostiran aufgebrochen – mit dem Auto. Sie wollten über die Türkei und den Balkan nach Deutschland kommen.

Doch an der serbischen Grenze war die Reise plötzlich zu Ende. Nach 5.000 Kilometern. Die Polizisten wollten die beiden Iraner nicht durchlassen, weil die deutsche Botschaft bei den Visa geschlampt hatte: Ein Gültigkeitsdatum war auf den Visa falsch eingetragen. Esmail Towhidi und Mohammed Tschupan blieb nichts anders übrig, als in den Iran zurückzufahren.

Auf dem Weg nach Ostiran machten die beiden Iraner Stopp in Teheran und zeigten ihre Visa in der deutschen Botschaft. Dort gestanden die deutschen Beamten ihren Fehler ein und entschuldigten sich. Jetzt sollen die Iraner neue Visa bekommen – und dann geht die Reise von vorne los. Vielleicht sogar mit Frau Towhidi. Ein wenig hofft Ullrich Hallier schon, dass die Behörden ihren Fehler bei den Visa der Männer mit einer Einreiseerlaubnis für Sahra Towhidi wiedergutmachen könnten.