Karlsruhe prüft Gentech-Gesetz

LANDWIRTSCHAFT Sachsen-Anhalt klagt vor dem Bundesverfassungsgericht gegen rot-grüne Verschärfungen der Rechtslage. Doch die Richter zeigen sich im Prozess skeptisch

Kläger halten Haftung für Verunreinigungen mit Genpflanzen für verfassungswidrig

AUS KARLSRUHE CHRISTIAN RATH

Bleibt das strenge Haftungsrecht für Gentech-Bauern erhalten? Darüber verhandelte am Mittwoch das Bundesverfassungsgericht. Geklagt hatte das Land Sachsen-Anhalt, das derzeit von einer großen Koalition regiert wird. Es hält das 2004 von Rot-Grün verschärfte Gentechnikgesetz für unverhältnismäßig streng und damit verfassungswidrig. Doch selbst die schwarz-gelbe Bundesregierung verteidigte gestern die rot-grünen Haftungsregeln. „Das Gesetz hat sich bewährt“, sagte Agrar-Staatssekretär Robert Kloos (CDU).

Seit 2004 haben konventionelle Landwirte und Ökobauern einen Schadensersatzanspruch, wenn auf ihren Feldern plötzlich Gentechpflanzen wachsen, die aus der Nachbarschaft stammen. Den Bauern muss dann der Preisunterschied beim Verkauf ihrer Ernte ersetzt werden, wenn sie diese nicht mehr als „gentechnikfrei“ vermarkten können.

Sachsen-Anhalt, das vor einigen Jahren eine Biotech-Offensive ausgerufen hatte, sieht in dieser Haftungsregel eine unzumutbare Einschränkung der Berufsfreiheit von Bauern, die „gentechnisch veränderte Organismen“ (GVO) anbauen wollen. Die bloße Auskreuzung durch Pollenflug sei etwas ganz Natürliches und kein Schaden, betonte Marcel Kaufmann, der Anwalt Sachsen-Anhalts. Schließlich seien die GVO-Pflanzen nach einer Sicherheitsprüfung zugelassen worden.

Bisher hat es in der Praxis allerdings keinen einzigen Haftungsfall gegeben. Für Anwalt Kaufmann ist das aber Ausdruck der großen Verunsicherung, die das deutsche Recht mit sich bringe. Weltweit würden immerhin auf 134 Millionen Hektar GVO-Pflanzen angebaut, in Deutschland nur auf ganzen 15 Hektar. Den Bauern sei das Haftungsrisiko einfach zu hoch.

Tatsächlich rührt die geringe Anbaufläche aber auch daher, dass in Europa bisher nur zwei GVO-Pflanzen zum Anbau zugelassen sind: die Kartoffel Amflora, aus der Industriestärke hergestellt wird, und der Mais MON 810, der ein Gift gegen den Schädling Maiszünsler produziert. 2009 hat Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) sogar den Anbau von MON 810 in Deutschland wieder vorläufig verboten, weil neue Studien Risiken für die Natur aufzeigten.

Der zweite Kritikpunkt von Sachsen-Anhalt betrifft das öffentliche Standortregister für GVO-Planzen. Die Transparenz erhöhe die Gefahr von Feldzerstörungen durch Gentech-Gegner, so Wirtschaftsstaatssekretär Thomas Pleye (CDU). Derzeit werde jeder zweite Feldversuch zerstört, ergänzte Christoph Herrlinger vom Bund Deutscher Pflanzenzüchter. Feldversuche seien gerade für die Sicherheitsforschung nötig, sagte Patricia Schmitz-Möller von der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Zumindest die Kritik an den Haftungsregeln schien bei den Verfassungsrichtern wenig Anklang zu finden. Dass Bauern vor einer unerwünschten Vermischung ihrer Ernte mit GVO-Pflanzen geschützt werden dürfen, hielt der federführende Richter Brun-Otto Bryde für selbstverständlich. Sein Kollege Johannes Masing fragte die Kläger, ob es nicht angebrachter wäre, die Verbraucher von Vorteilen der Gentechnik zu überzeugen, als gegen Haftungsregeln zu prozessieren. Das Urteil wird in einigen Monaten verkündet.