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: Die Ecuas auf der Heimatsuche

Alle gucken Fußball. Auch die taz. Bis zum Ende der WM berichten wir täglich live von den Berliner Spielplätzen. Heute: Ecuador – Deutschland auf der Fanmeile

Das Spiel ist zu Ende, aber auch für die Ecuadorianer gilt das Fußballsprichwort: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel – insbesondere an diesem Dienstagabend. Denn die Vorfreude auf das bereits erreichte Achtelfinale überwiegt gegenüber der Enttäuschung über die 0:3-Niederlage gegen Deutschland. Zumindest wollen die zirka 15 südamerikanischen Fans – mehr hat man jedenfalls nicht gesehen – die 700.000 deutschen davon überzeugen.

„Wir sind zum ersten Mal so weit gekommen, und das ist eine Ehre“, sagt der 28-jährige Ecuadorianer Martín. Dann zieht er mit seinen Freunden mit Flaggen, gelben Trikots, Trommeln vom Brandenburger Tor Richtung Hauptbahnhof. „Wir feiern weiter“, sagt der 25-jährige Christian überzeugt.

Die Stimmung ist allerdings nicht die beste. In den Gesichtern der singenden Ecuadorianer spürt man keine Begeisterung mehr, sondern nur Trotz. „Es ist möglich, es ist möglich“, schreien sie immer wieder auf Spanisch. Wenig beeindruckt davon ruft ein junger Deutscher ihnen entgegen: „Es ist nicht möglich“ – ebenfalls auf Spanisch – und lacht. „Dieser Arsch“, meint José verbittert. „Ich hätte ein 0:2 noch verkraftet, aber das war zu viel.“

Die drohende Niederlage zeichnete sich schon beim Besuch der Fanmeile durch ecuadorianische Fans ab: 4.000 wollten kommen, hatte es einer der Fans vor dem Spiel noch versprochen. Doch höchstens 20 waren zum Spielbeginn am ausgemachten Treffpunkt. Einige hatten es sich anders überlegt und schauten das Spiel an einem anderen Ort, wohl um sich das Gefühl der Einsamkeit im schwarzrotgoldenen Meer zu ersparen. Und einige sind noch während des Spiels weggegangen, weil sie die schwache Leistung ihres Teams nicht verkraften konnten.

Die Reaktionen der deutschen auf die militante Freude der gelben Truppe sind gemischt. Den einen ist die bunte Gruppe ein Foto wert, andere klatschen oder umarmen die meist klein gewachsenen Südamerikaner und spenden Trost: „Schweden oder England könnt ihr leicht besiegen“, ruft zum Beispiel Markus, ein zwei Meter großer Brandenburger, den Latinos zu. Nur ein paar deutsche Fans machen sich über die Südamerikaner lustig. „Ihr könnt nach Hause fahr’n, ihr könnt nach Hause fahr’n“, singen sie und gucken dabei hämisch.

„Wo soll das sein?“, denkt Antonio laut vor sich hin. Er stammt ja aus Ecuador, aber lebt seit Jahren in den Vereinigten Staaten. So ist es mit den meisten Ecuadorianer dieser Gruppe. Sie kommen aus Italien, Spanien, den USA oder auch Deutschland, wohin sie, wie jeder zehnte Ecuadorianer, ausgewandert sind.

Dass die Nationalmannschaft den Ecuas etwas heimatliche Gefühle weit weg von Quito oder Guayaquil vermittelt, kann man richtig spüren. Bei den Südamerikanern heißt es dann nicht „Wir sind wieder wer“ wie bei den deutschen 1954, sondern „Uns gibt es auch noch“. Bevor sie die S-Bahn nehmen, singen sie mit heißer Stimme: „Wie könnte ich dich nicht lieben, wenn du mein Leben bist. Nie könnte ich dich verlassen: Ecuador!“ Es klingt wie eine Beschwörung. Blas Urioste

Fanmeile am Brandenburger Tor, weiterhin jeden Tag ab 11 Uhr, alle Spiele auf Großbildleinwand. Eintritt frei