zwischen balleluja und hubschraubereinsatz von WIGLAF DROSTE
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Die Glaubenskrieger haben gewonnen in Deutschland, der Terror geht weiter, und unsere Normalitätsirrsinnigen finden das selbstverständlich ganz, ganz großartig. Nach allem verhökerbar Profanen sind zur WM 2006 auch Himmel und Elysium verkauft und schwarzrotgolden kommerzialisiert worden. In der Welt des Warentauschs ist naturgemäß alles eine Ware; spätestens seitdem Papst Benedikt Ratzinger sofort nach seiner Wahl als Bravo-Starposter zu haben war, ist auch die Kirche Teil des Aggressionskonsumismus, zu dessen Faustregeln gehört, dass man am Eigenschlussverkauf Spaß entweder zu empfinden habe oder das Spaßhaben doch wenigstens möglichst plakativ und zähnefletschend demonstriert.

Weshalb in der Leipziger Bethesdakirche aus dem ollen, aber vergleichsweise unschuldig scheinenden „Halleluja“-Geningel zur WM ein donnerndes „Balleluja!“ wurde: „Alles, was mit dem Leben zu tun hat, hat auch mit dem Glauben zu tun“, bekannte der Leipziger Pastek Werner Schneider im Lokalblatt LVZ. „Und der Fußball steht da halt momentan im Mittelpunkt.“ Was wird der Jau-Jau-Min-Kau-Pastor zur nächsten Sau sagen, die durchs Dorf getrieben wird – wenn beispielsweise mal wieder das bewährte Ministrantenbelehren von hinten „im Mittelpunkt“ steht? Es ist ein Wahlprivileg des Menschen, an Pfaffenfelsen nicht zerschellen zu müssen.

Sich anflanschen ist alles, die Allesmitmacher machen alles mit, so ist das immer schon. Nur einen winzigen Wunsch möchte ich äußern: Dass jeder, der das Füll- und Müllwort „halt“ im Munde führt, stattdessen jedes Mal „stopp“ sagen müsse – ja, genau: „stopp“ und nicht mehr dreimal pro Halbsatz: „halt“. Das klänge dann beispielsweise so: „Der Fußball steht da stopp momentan im Mittelpunkt.“ Und die bewusstlose Angewohnheit fiele gerechterweise endlich auf die „Halt“-Sager selbst zurück statt meinen Ohren zur Last.

Dass der Himmel voller Arschgeigen hängt, ist kein Wunder, wenn man sie darin herumfliegen lässt: „Wir leben in einem Paradies, wir haben ein wunderschönes Land, das sieht man ganz deutlich im Hubschrauber“, verkündete Franz Beckenbauer. Diese Pflichtsicht aufs Land kommentierte sein Hausblatt Bild, das täglich ausgießt, was der Spiegel nur einmal die Woche ventilieren kann: das Bedürfnis nach Ranschmeiße, auch Patriotismus genannt.

Bild-Kommentator Michael Backhaus sekundierte Beckenbauers Aufruf zu massenhaftem Hubschraubereinsatz mit einer atemfreien Mischung aus Affirmationsgeifer und Glauben an den Heiland: „Da hat Franz Beckenbauer verdammt Recht! Schön ist unser Land immer, aber die WM verleiht ihm paradiesischen Glanz. … schwarzrotgoldenes Fahnenmeer … kollektive Glücksschübe … Text der Nationalhymne … der wichtigste Deutsche … Bundespräsident … Franz Beckenbauer hat einmal gesagt, er glaube an Wiedergeburt. Hoffentlich wird er als Franz Beckenbauer wiedergeboren. Damit Deutschland ein Paradies bleibt!“

Alle Paradies- und Heilsversprechen sind eine Pest; speziell diesem aber den Saft abzudrehen, wäre ein besonderes Vergnügen.