FDP schaut vorsichtig in die Höhe

PARTEIEN Vor der Klausurtagung der FDP am Wochenende diskutiert die Partei Steuererhöhungen, das Elterngeld – und die Zukunft von Guido Westerwelle

„Vergünstigungen zu streichen ist keine Steuererhöhung“

FLORIAN TONCAR, FDP

AUS BERLIN MATTHIAS LOHRE
UND GORDON REPINSKI

Nun muss der tiefste Punkt der Krise doch einmal erreicht sein. Darauf hofft zumindest die FDP-Spitze, die ab Sonntag zu einer zweitägigen Klausur zusammenkommt. Dabei will die Parteiführung zeigen, dass sie aus Fehlern gelernt hat – nur noch 5 Prozent würden die FDP aktuell wählen. Künftig will sie für mehr stehen als Steuersenkungen um jeden Preis. Sogar Steuererhöhungen sind im Gespräch.

In der Berliner Parteizentrale beraten Bundes- und Fraktionsvorstand über ein Strategiepapier, das maßgeblich von Generalsekretär Christian Lindner stammt. Fraktionschefin Birgit Homburger hat mitgearbeitet, der angeschlagene Parteichef Guido Westerwelle lässt gewähren. Das Papier soll das Bild der Ein-Themen-Partei verblassen lassen. „Neben dem Thema Wirtschaft und Arbeit rücken Bildung und Bürgerrechte mehr in den Vordergrund“, sagte Homburger. Dafür soll ein neues Grundsatzprogramm sorgen. Es soll in zwei bis drei Jahren die marktradikalen „Wiesbadener Grundsätze“ von 1997 ablösen.

Inhaltlich bewegt sich die FDP. So soll das Elterngeld für Eheleute gestrichen werden, wenn diese nicht berufstätig waren. „Wir sollten das Elterngeld auf diejenigen konzentrieren, die vorher gearbeitet haben oder wegen einer früheren Geburt ihre Berufstätigkeit unterbrochen haben“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Otto Fricke, der Rheinischen Post.

Die Steuersenkungsdebatte scheint beendet. Der schleswig-holsteinische Fraktionschef Wolfgang Kubicki fordert sogar einen höheren Spitzensteuersatz und Ermäßigungen beim Mehrwertsteuersatz abzuschaffen. In der letzten Sitzungswoche diskutierte auch der Arbeitskreis Finanzen der Bundestagsfraktion das Thema Steuern. Dort wurde festgelegt, dass sich die Partei bei der Mehrwertsteuer öffnet. „Vergünstigungen zu streichen ist keine Steuererhöhung“, sagte der FDPler Florian Toncar der taz. Und sein Kollege Patrick Döring gibt die neuen Prioritäten aus. Erst an dritter Stelle stehen Steuerentlastungen. „Erst kommt Konsolidierung, dann Wachstum“, sagte Döring der taz. Intern wird sogar eine höhere Kapitalertragssteuer oder eine Reichensteuer diskutiert.

Für Guido Westerwelle ist die Klausur auch persönlich wichtig. Er steht für die Steuersenkungspläne, von denen sich die Partei nun verabschiedet. Nicht wenige fragen, ob Westerwelle einen Kurswechsel glaubwürdig mittragen könne. Seit Wochen kursieren die Namen von Christian Lindner und Gesundheitsminister Philipp Rösler als mögliche Nachfolger. Doch für viele sind beide zu jung und unerfahren. Stattdessen könnte die Stunde eines Mannes schlagen, den lange keiner auf der Rechnung hatte: Dirk Niebel.

Der Entwicklungsminister ist derjenige, unter den FDP-MinisterInnen, der mit seiner Institutionenreform einen Erfolg aufweisen kann. Zudem gilt der Exgeneralsekretär als gut vernetzt und als einziger Kandidat in der Generation Westerwelle.

Dass Niebel am Anfang seiner Amtszeit Kritik einstecken musste, weil er Parteikollegen in seinem Ministerium untergebracht hat, nützt ihm nun. Wie er sich damals für seine Leute eingesetzt habe, verdiene Respekt, hört man aus Parteikreisen.

Bis Herbst muss Westerwelle die Wende geschafft haben. Denn 2011 stehen Landtagswahlen in Baden-Württemberg an. In Dirk Niebels Heimat.