Betriebsratswahl wider Willen

Der Softwarekonzern SAP hat nun auch eine Arbeitnehmervertretung: Haushoher Sieger ist die Liste „Wir für dich“, auf der auch Aufsichtsräte kandidierten. Die Mitglieder der Gewerkschaftsliste erhalten 3 der 37 Mandate – und sind zufrieden

aus Walldorf HEIDE PLATEN

Jetzt hat auch das letzte börsennotierte Großunternehmen in Deutschland einen Betriebsrat. Knapp 65 Prozent der rund 14.000 in der Bundesrepublik beschäftigten Mitarbeiter des Softwarekonzerns SAP AG hatten bereits am Mittwoch gewählt. Ergebnis der gestrigen Auszählung: Gewinner ist die Liste „Wir für dich“ vor „MUT“. Auf den beiden Listen hatten unter anderem fünf der acht Arbeitnehmervertreter im SAP-Aufsichtsrat kandidiert, die bisher die Belegschaftsinteressen im Unternehmen wahr genommen hatten.

Der ersten Betriebsratswahl in dem Walldorfer Unternehmen war ein jahrelanges Gerangel zwischen Firmenleitung, Belegschaft und den Gewerkschaften IG Metall und Ver.di vorausgegangen. Denn die Mehrheit der Angestellten hatte immer wieder gegen eine Betriebsratswahl votiert. Ihre Interessen waren von – gesetzlich nicht verankerten – Mitarbeitervertretungen und den acht Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat der Firma wahrgenommen worden. Die Modalitäten regelte ein hausinterner Vertrag.

Die Arbeitsatmosphäre in Walldorf, sagen Mitarbeiter, sei früher „locker“ gewesen, die Gehälter waren überdurchschnittlich hoch und die Sozialleistungen gut. In den letzten Jahren aber habe sich SAP vom studentischen Aufsteiger „zu einer ganz normalen Firma“ mit entsprechenden Hierarchien entwickelt.

Für drei Mitarbeiter, die auch Mitglieder der IG Metall sind, war das Grund genug, im März 2006 einen Vorstoß für eine Betriebsratswahl zu machen. Sie legten einen Vorschlag für einen Wahlvorstand vor – und scheiterten. 91 Prozent der Beschäftigten lehnten ab. Die Gewerkschafter klagten beim Mannheimer Arbeitsgericht. Noch bevor das Gericht einen Wahlvorstand bestellte, reagierten Geschäftsführung und Vorstand mit einer eigenen Initiative.

In der Firma brach danach eine kuriose Wahleuphorie aus. 414 Kandidaten drängelten sich auf zehn Listen um die gesetzlich vorgeschriebenen 37 Betriebsratsämter. Jede Liste hatte ihre eigene Homepage und ihren Fan-Club, Plakate und Flugblätter wurden gedruckt.

„Wir für dich“ war mit 197 Bewerbern angetreten und errang 16 Mandate, „MUT“ 11, die Gewerkschaftsliste „Pro Betriebsrat“ 3. Vier der zehn Listen mit so programmatischen Namen wie „Mensch statt Ressource“, „Kommunikation statt Konfrontation“ und „Weniger ist mehr“ gingen leer aus. Zwölf Betriebsräte werden freigestellt sein.

„Pro Betriebsrat“ lobte gestern die Wahlbeteiligung und das große Interesse im Vorfeld – „neun von zehn wollten keinen Betriebsrat, aber jetzt wollen alle rein“. Die Mitglieder bedankten sich für das drittbeste Ergebnis, das sie mit „Die Unabhängigen“ und „ABS“ teilen, und kündigten an: „Wir segeln zur Not auch gegen den Wind.“ Zugleich verteidigten sie die Konkurrenten gegen Gerüchte, von der Firmenleitung lanciert worden zu sein. Insgesamt sei es als Sieg zu verbuchen, dass die SAP nun endlich einen Betriebsrat habe. Und das sei vor allem dem „Mut und die Durchhaltekraft“ der Gewerkschafter zu verdanken. SAP-Vorstandschef Henning Kagermann meinte, er habe mit einem ähnlichen Ergebnis gerechnet und nun „das Gefühl“, dass es auch in Zukunft kein Problem sein werde, „gut zusammenzuarbeiten“.

SAP war 1972 von fünf Ex-IBM-Mitarbeitern in Weinheim an der Bergstraße gegründet worden. 1976 zogen sie nach Walldorf. SAP entwickelte sich zum drittgrößten Softwarelieferanten der Welt und beschäftigt in 50 Ländern fast 36.000 Mitarbeiter. Die Anleger ließen sich von der Entwicklung übrigens nicht beunruhigen: Die SAP-Aktie legte gestern leicht zu.