Raucher auf der Kippe

Hamburgs Bürgerschaft debattiert ohne Fraktionszwänge über ein Nichtrauchergesetz. Die Gesundheitsbehörde aber will lieber die Wirksamkeit freiwilliger Regelungen abwarten

Von THORSTEN STEER

Der Streit um ein generelles Rauchverbot in öffentlichen Räumen ist auch in Hamburg voll entflammt. Auf Antrag der GAL wird die Bürgerschaft am Donnerstag über den Schutz vor Passivrauchen debattieren. Die Diskussion unterliegt dabei ausnahmsweise nicht der Fraktionsräson: Befürworter und Gegner gibt es in allen drei Parteien.

Die Grünen fordern vom Senat einen Gesetzentwurf, der das Rauchen im öffentlichen Raum nahezu lückenlos mit Bußgeldern bedroht. „Öffentlich zugängliche Gebäude, Arbeitsplätze, Gastronomie, öffentliche Transportmittel, Spielplätze, Sportstätten und vergleichbare Orte des öffentlichen Lebens“ – Gesundheitspolitikerin Katja Husen, Autorin des Antrags, ist um Vollständigkeit bemüht. Eine interfraktionelle Mehrheit für den Antrag gilt als sicher, vermutlich aber wird er zunächst zur Beratung in den Gesundheits- und den Rechtsausschuss des Parlaments überwiesen.

Denn so einfach ist dem Qualmen auch juristisch nicht beizukommen. Hartmut Stienen, Sprecher der Gesundheitsbehörde, setzt deshalb „zunächst auf freiwillige Lösungen“. Rauchverbote in den meisten öffentlichen Gebäuden, rauchfreie Arbeitsplätze durch die Arbeitsstättenverordnung sowie die Vereinbarung über Nichtraucherzonen zwischen dem Bundesgesundheitsministerium und dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) – da gebe es bereits viele Maßnahmen zum Nichtraucherschutz. Diese sollten erst evaluiert werden, danach könne man „über weitere Schritte nachdenken“.

Eine Zwangsregelung scheint zumindest erfolgreich: das Rauchverbot an Hamburger Schulen. Seit dessen Einführung im vorigen Jahr hat sich der Anteil der Raucher unter den 14- und 15-Jährigen fast halbiert – von 35,5 Prozent auf 18,4 Prozent. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Studie des Büros für Suchtprävention. Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) sieht darin den Beweis, dass „Verbote wirken können, wenn sie durchgesetzt werden und von Präventionsmaßnahmen begleitet werden“.

Der Dehoga attestiert der Anti-Qualm-Ini hingegen ein „Glaubwürdigkeitsproblem“, da sie die Ergebnisse der Zielvereinbarung für rauchfreie Zonen in Gaststätten nicht abwarte, sagt Geschäftsführer Gregor Maihöfer. Für einen erfolgreichen Nichtraucherschutz sei die Politik aber „auf eine Zusammenarbeit mit den Verbänden angewiesen“.

Das erste Teilziel sieht er schon erreicht. Bundesweit hätten 31,5 Prozent der Gaststättenbetriebe mit über 40 Sitzplätzen Nichtraucherzonen. Genaue Zahlen für Hamburg konnte Maihöfer zwar nicht nennen. Dennoch ist er sicher, dass die 30-Prozent-Marke „deutlich überschritten“ sei. Volker Neukamm vom Hamburger Nichtraucherschutzverein hält diese Angaben für „einen Witz“. Nach seinen Schätzungen haben nur „um die zehn Prozent“ der Hamburger Gaststätten Nichtraucherzonen. Neukamm fordert deshalb ein generelles Rauchverbot in allen öffentlichen Räumen.

Bei den Krankenkassen kann er dabei nur bedingt auf Unterstützung zählen. Das sei eine „Konsequenz, die wir nicht wollen“, sagt Gerd Reinartz von der DAK: „Der erhobene Zeigefinger ist der falsche Weg.“ Die Umsetzung der freiwilligen Zielvereinbarung geht ihm aber zu langsam. Reinartz verweist auf die hohen Kosten für die Folgeerkrankungen des Rauchens: bundesweit 17 Milliarden Euro im Jahr. Daher fordert er „Nichtraucherzonen für alle Gaststätten“. Eine „schnelle und verbindliche Regelung“ wie in vielen europäischen Ländern sei nötig.

Auch in Hamburg, so scheint es, steht das Rauchen mächtig auf der Kippe.