„Provinz sind immer die anderen“

AUSSTELLUNGSPROJEKT Unter dem Titel „Der offene Garten“ beschäftigen sich vier Ausstellungshäuser im äußersten Westen Niedersachsens mit den Themen „Provinz“ und „Durchgangsorte“

Wer die komplette Ausstellung an allen vier Orten besuchen will, muss rund 140 Kilometer zurücklegen

Wer kennt schon Neuenhaus? Der Ort befindet sich in der Niedergrafschaft an der Grenze zu den Niederlanden, die nächste größere niedersächsische Stadt ist Osnabrück, und die ist rund 90 Kilometer entfernt. Susanne Winnacker wurde 1959 in Neuenhaus geboren. Heute ist sie Chefdramaturgin am Deutschen Nationaltheater Weimar und designierte Kuratorin für Tanz. Winnacker ist eine von fünf KünstlerInnen, die für den Kunstverein Grafschaft Bentheim in Neuenhaus an dem Gemeinschaftsprojekt „Der offene Garten“ teilnimmt – in Form eines Interviews, das die Theaterwissenschaftlerin mit dem ebenfalls aus Neuenhaus stammenden Maler Michael Bette geführt hat.

„Der offene Garten“ ist ein Ausstellungsprojekt, an dem sich vier Häuser der Region Nordhorn beteiligten. Zeitgleich zeigen die Städtische Galerie Nordhorn, der Kunstverein Grafschaft Bentheim, das Otto-Pankok-Museum in Gildehaus und die Kunsthalle Lingen Arbeiten von zeitgenössischen KünstlerInnen, die die Themen „Provinz“ und „Durchgangsorte“ behandeln.

Der Kunstverein in Neuenhaus beispielsweise präsentiert Künstler, die aus Neuenhaus kommen und Karriere gemacht haben. „Provinz, das sind immer die anderen“, sagt die Leiterin des Kunstvereins in Neuenhaus Gudrun Thiessen-Schneider, die das schlechte Image der Regionen in Randlage nicht nachvollziehen kann. „Viele Musiker, Maler, Bildhauer, Literaten, Aktionskünstler und Filmemacher stammen vom Land.“

Die Kunstwerke in der Kunsthalle Lingen befassen sich schwerpunktmäßig mit Prozessen der Veränderung und Transformation. „Hier im ländlichen Raum ist die gesellschaftliche Fluktuation hoch“, sagt Meike Behm, Direktorin der Kunsthalle Lingen. Zahlreiche Personen würden in große Städte abwandern, während andere Menschen wiederum aus beruflichen oder privaten Gründen in die vier Kleinstädte kämen.

Sinnbildlich für den Prozess der Veränderung steht in der Kunsthalle Lingen die Installation der Künstlerin Rivane Neuenschwander: Über 25 Eimern, die auf dem Boden stehen, hängen 25 Eimer, aus denen es kontinuierlich nach unten tropft. Sind die Eimer am Boden voll, wird das Wasser wieder nach oben gepumpt. Neben dieser Arbeit sind in Lingen Arbeiten von Christoph Fink, Sandra Kranich, Victor Mans, Panamerenko, Charlotte Posenenske und Yael Bartana zu sehen.

Der Fotograf Robert Häusser, Jahrgang 1924, zeigt im Otto-Pankok-Museum in Bad Bentheim/Gildehaus Aufnahmen und Texte aus seinem „Moortagebuch“. Im Februar 1984 erhielt der gebürtige Stuttgarter den „Kunstpreis der Stadt Nordhorn“.

Bei seinem Aufenthalt in der Grafschafter Kreisstadt lernte Häusser die karge Moorlandschaft des Emslandes kennen. Fasziniert erforschte der Fotograf diesen „bedrohlichen, unergründlich dunklen“ Ort. Stundenlang begab Häusser sich in feuchter Kälte mit Stativ, einer Spiegelreflexkamera und einer Plattenkamera auf Motivsuche. Geduldig wartete er auf Windstille und das richtige Licht. In seinem Tagebuch steht: „Die Natur, das viele Grün, das tut mir gut und gibt mir viel Inspiration. Das dunkle Moor hat etwas Sanftes, Beruhigendes. Große Stille, ein Ort zur Meditation.“

Wer die komplette Ausstellung an allen vier Orten besuchen möchte, muss übrigens rund 140 Kilometer mit dem Auto über Land zurücklegen. Eine gute Gelegenheit, Provinz hautnah zu erleben. SUSANNA AUSTRUP

„Der offene Garten“: Städtische Galerie Nordhorn, Kunstverein Grafschaft Bentheim, Otto-Pankok-Museum, Kunsthalle Lingen. Bis 22. August