Gewalt gegen streikende Textilarbeiter in Kambodscha

ARBEITSKAMPF Polizei räumt Protestlager in der Hauptstadt. Mehrere Tote. Kritik von Steinmeier

PHNOM PENH dpa | In Kambodscha ist kein Ende der Auseinandersetzungen zwischen streikenden Textilarbeitern und der Regierung in Sicht. Nach einem blutigen Polizeieinsatz gegen Demonstranten mit mehreren Toten am Freitag räumte die Staatsmacht am Samstag das Protestlager in der Hauptstadt Phnom Penh. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) verurteilte das Vorgehen der Behörden.

Mit Tränengas und Schlagwaffen gingen die Einsatzkräfte am Samstag gegen die Streikenden in Phnom Penh vor und zerstörten die Hütten und Zelte im Freiheitspark, die dort seit einigen Wochen gestanden hatten. „Es waren angeheuerte Schläger und Spezialeinsatzkräfte mit Metallrohren und Knüppeln. Ihr Ziel war, die Leute zu Krüppeln zu schlagen. Es war wie eine Kriegszone“, sagte die Oppositionspolitikerin Mu Sochua.

Die Proteste in dem südostasiatischen Land dauern seit mehr als einer Woche an. Nach Gewerkschaftsangaben sind die meisten der 600.000 Textilarbeiter im Streik oder wurden von den Fabrikanten wegen drohender Streiks ausgesperrt. Gefordert wird eine Verdoppelung des Mindestlohns von zurzeit umgerechnet knapp 60 Euro im Monat. Die Regierung hat nur eine Erhöhung um 25 Prozent angeboten.

Der Bekleidungsindustrie ist die wichtigste Exportbranche Kambodschas und bringt dem Land fünf Milliarden US-Dollar Deviseneinnahmen im Jahr. Unternehmen wie Levi’s, Walmart, Puma, Adidas und H&M lassen dort Kleider und Schuhe fertigen. Kambodscha zählt nach UN-Berechnungen zu den 50 ärmsten Länder der Welt.

Weil zurzeit in den Fabriken alle Räder stillstehen, kehren viele Arbeiterinnen Phnom Penh den Rücken und machen sich auf den Weg in ihre Heimatdörfer. „Wie die meisten meiner Freundinnen gehe ich nach Hause in meine Provinz, weil es in den geschlossenen Fabriken keine Arbeit gibt und die Leute mit den Streiks Angst haben, erschossen zu werden“, sagte die 20-jährige Pou. Sie sei seit zwei Jahren in der Hauptstadt und habe in drei verschiedenen Fabriken gearbeitet. „Die Fahrt nach Hause kostet mich allein fünf Dollar. Ich bin nicht politisch, aber mit einem höheren Mindestlohn wäre das Leben viel leichter“, sagt die Fabrikarbeiterin.