Shorty setzt auf Deutschland

WM-WETTEN Nigerianer zocken gegen Kongolesen, Inder setzen lieber auf Pferde: Südafrikas Wettbüros im WM-Boom. Die Quoten beim Halbfinale heute favorisieren übrigens Spanien

„Das WM-Geschäft ist intensiv. Aber ich hasse es, man muss über eine Stunde warten, um zu wissen, ob man gewonnen hat. Bei den Pferderennen dauert das eine Minute“

RICKY SIN, WETTBÜROINHABER

AUS JOHANNESBURG MARTINA SCHWIKOWSKI

Shorty setzt auf Deutschland. „Die gehen direkt aufs Ganze!“, sagt der kleine Nigerianer mit dem passenden Spitznamen, der eigentlich George Chukwuka heißt. „Die sind technisch fit und spielen besser.“ Keine Chance, sagen die Kongolesen am Nebentisch. Es wird laut, Argumente fliegen hin und her. Shorty lässt sich nicht beirren in seinem Plan: 100 Euro auf Deutschland im Spiel gegen Argentinien. „Schluss mit Diegos Fußballzauber“, lacht er. Der 35-Jährige ist Stammgast im Wettbüro Topbet im Keller des alten Einkaufszentrums im Johannesburger Stadtteil Northcliff. Im Nebenraum laufen Pferderennen auf den Bildschirmen, aber Shorty geht lieber in die Fußballabteilung. Jeden Tag studiert er dort die langen Wettlisten, bis er sich mit entschlossener Miene zu einem der vielen Schalter aufmacht.

„Du willst wohl wieder 2.000 Euro gewinnen“, lacht die schwarze Angestellte hinter den eisernen Gitterstäben, während sie Shortys Wette annimmt. „Letztes Jahr hat er glatt so viel Geld gewonnen“, sagt sie. Shorty nickt. „Ich kenne mein Geschäft.“ Shorty betet die Bundesliga-Tabelle herunter, alle erdenklichen Namen von Fußball-Ligisten spult er ab, bis hin zu Estland. Shortys Kassenbon ist dementsprechend lang. „Ich hab schon mal für 12 Rand Tickets gekauft, um eine halbe Million Rand zu gewinnen. Klappte aber nicht.“ Verlust und Gewinn halten sich die Waage, meint Shorty. Fünf Jahre lebt er schon in Südafrika. Nebenher repariert er Handys. Seit Beginn der WM hat er bereits 700 Euro gesetzt.

Im Nachbarviertel Randburg hat die WM Ricky Sin bisher schon das Fünffache des normalen Wettalltags eingebracht. Der Südafrikaner mit chinesischen Vorfahren verfolgt internationale Wetteinsätze am Computer, seine Mitarbeiter nehmen Angebote per Telefon an. „Aber mein Hauptgeschäft sind die Pferde“, sagt Ricky. Indische Kunden sitzen auf Sofas vor Cafétischen. An der Bar bedienen sie sich und hängen sich dann wieder vor die Bildschirme. „Alles Stammkundschaft“, grinst Ricky. Ein Weißer mit Pudelmütze schenkt sich nach jedem Pferderennen einen Whisky ein und frotzelt: „Ricky nimmt mir mein Geld weg.“ Ricky gibt ihm einen Klaps. Dann ruft der reiche Inder mit rot-weißem Seidenhemd: „Ricky, kämm dir mal die Haare.“ Die stehen immer zu Berge und sind frühzeitig grau. Zwanzig Jahre ist er im Geschäft, er liebt das Adrenalin. „Ich kann morgen aufwachen und hab alles verloren.“ Der reiche Inder ist ein großer Spieler, sein Vater ein großer Geschäftsmann. „Aber niemand weiß, dass er spielt“, meint Ricky. Er setzt 1.200 Euro auf Deutschland gegen Argentinien. Die meisten Inder setzen auf Pferde.

Aus der Sportbar nebenan kommen schwarze Kunden. Sie setzen auf Fußball. „Das WM-Geschäft ist intensiv“, sagt Ricky. „Aber ich hasse es, man muss über eine Stunde warten, um zu wissen, ob man gewonnen hat. Bei den Pferderennen dauert das eine Minute.“ Trotzdem liebt er seinen Job.

Im Halbfinale favorisieren die Quoten leicht einen spanischen Sieg, aber bei Ricky Sin wird mehr auf die Deutschen gesetzt. „Das ist ein solides, junges Team,“ sagt Ricky. Sein mittelgroßes Wettbüro hält rund 6.600 Euro Wetteinsatz für Deutschland, insgesamt für dieses Spiel sind es rund 12.000 Euro.

200 Wettbüros gibt es in Südafrika, ihr Umsatz bei dieser WM geht in die Millionen. „Allein bei diesem Halbfinale wird eine einzige internationale Wettagentur bis zum Abpfiff mit rund 15 Millionen Pfund (18 Millionen Euro) handeln,“ sagt der Geschäftsführer von Topbet, Mike O’Connor. Für sein Geschäft sei die WM ein gutes Zubrot. Insgesamt aber hätten sich die Einnahmen der Wettbüros leicht verringert. „Im Moment spielen wegen der WM nur wenige interessante Ligen, daher reduzieren sich die Wetten.“

Den Nigerianer Shorty hat es inzwischen in eine kleine Bar verschlagen, ebenfalls in Randburg. Dort sitzt er und verfolgt das Deutschland-Spiel mit nigerianischen Freunden. Bei jedem Tor der deutschen Mannschaft springt Shorty auf und ruft: „Hab ich doch gesagt!“ Shorty gewinnt 200 Euro: ein Gewinn von 100 Prozent. Für Deutschland – Spanien hat er wieder 100 Euro gesetzt. Die Quote steht 15 zu 10. „Ich bekomme 150 Euro, wenn Deutschland gewinnt“, freut sich Shorty. „Und das steht fest!“