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: Kein schwarzer Freitag: 23 versuchen weiter, den Kilimandscharo zu erklimmen

Der 30. Juni 2006 hätte als schwarzer Freitag in die Sportgeschichte eingehen können. 24 deutsche Helden standen vorm Sturz in die Tiefe des Raumes. 23 Sportsfreunde, die Fußballer, sind diesem Schicksal durch einen Sieg über Argentinien im WM-Viertelfinale entronnen. Radprofi Jan Ullrich erging es schlechter; er wurde von seinem Rennstall wegen Dopingvorwürfen suspendiert und darf die Frankreich-Rundfahrt nicht bestreite

Ullrich hatte den Tourmalet erklimmen, seine zweite Tour de France gewinnen wollen. Dafür ist die Klinsmannschaft nach wie vor in bergigem Gelände unterwegs. Sie will den Kilimandscharo besteigen – wie der Bundestrainer vorm Turnier einmal bildreich erklärte. Nun geht es weiter hinauf zum Gipfel des 5.895 Meter hohen Kegels, früher auch Kaiser-Wilhelm-Spitze genannt.

Klinsmann, der Chef-Guide, hat den wackeren 23 die Wegbeschreibung zugesteckt, er hat sie fit gemacht und im Glauben an das Große bestärkt. Und siehe da: Das junge Team, das die WM als Gipfelsturm begreift, hat seine erste große Reifeprüfung in luftiger Höhe bestanden. Die Frage ist nun allerdings: Was wird aus dem Bergführer Klinsmann und seinem Projekt des Radikalaufstiegs, der Umgestaltung auf hohem Niveau? Hat sein Projekt eine Zukunft? Hat Klinsmann eine Zukunft? Alles hängt von seiner Vertragsverlängerung mit dem Deutschen Fußball-Bund ab.

Der sture Schwabe steht in der Pflicht. Er hat sich selbst mit markigen Sprüchen exponiert. Als Blaupause für die Bundesliga solle die Nationalmannschaft dienen, forderte er gleich mehrfach. Er und seine Mitstreiter, Joachim Löw und Oliver Bierhoff, könnten den deutschen Fußball entrumpeln, den Laden auseinander nehmen und einheitliche Strukturen schaffen – von der U15-Jugendmannschaft bis zur ersten Auswahl. Dies war immer wieder zu hören. Aber ist so eine Umgestaltung ohne Klinsmann überhaupt möglich?

Noch braucht die Nationalmannschaft, dieser Staat im Staate des Fußball-Bundes, einen halsstarrigen, sendungsbewussten Anführer, einen Guru vom Schlage Klinsmanns. Verlässt er nach dem Turnier die deutsche Mannschaft, macht er sich unglaubwürdig. Flüchtet er nach Kalifornien, entlarvt er sich als Ego-Shooter erster Güte. Bleibt er jedoch, kann der Kilimandscharo in vier Jahren, beim WM-Turnier in Südafrika erklommen werden. Falls es nicht schon diesmal klappt. MARKUS VÖLKER