Vorzeitiges Ende für Balkenende

Der niederländische Premier Balkenende muss vorgezogene Neuwahlen ankündigen, weil seine Mitte-rechts-Koalition an Integrationsministerin Verdonk zerbricht. Die hatte mit Äußerungen zur Islamkritikerin Hirsi Ali die Koalitionskrise ausgelöst

Der Koalition wird die harte Linie in der Einwanderungspoli-tik zum Verhängnis

VON CLARA ROSENBACH

Die Regierungskoalition von Jan Peter Balkenende in Den Haag ist am Ende. Der christdemokratische Premierminister reichte gestern sein Rücktrittsgesuch bei Königin Beatrix ein und kündigte vorgezogene Neuwahlen an. Die werden vermutlich im September oder Oktober stattfinden.

Der Mitte-rechts-Koalition aus drei Parteien war die eigene harte Linie gegenüber Einwanderern zum Verhängnis geworden. Nach der Affäre um die aus Somalia stammende Abgeordnete Ayaan Hirsi Ali hatten die zwei Minister der liberalen Partei D 66 ihren Rücktritt erklärt. „Wir können für die Politik von Rita Verdonk keine Verantwortung mehr übernehmen“, begründete der Wirtschaftsminister Jan Laurens Brinkhorst diesen folgenschweren Schritt.

Was war passiert? Integrationsministerin Verdonk, die auch als „eiserne Rita“ bezeichnet wird, hatte damit gedroht, Hirsi Ali ihre Staatsbürgerschaft zu entziehen, weil sie vermutlich bei ihrer Einreise in die Niederlande 1992 gelogen hatte. Hirsi Ali heißt eigentlich „Magan“. Die Angabe eines falschen Namens ist in den Niederlanden ein Grund für die Ablehnung des Asylantrags.

Verdonk hatte von ihrer Parteikollegin Hirsi Ali, die mittlerweile in die USA übergesiedelt ist, eine öffentliche Schulderklärung gefordert. Das ging den D 66-Ministern zu weit. Verdonk überstand zwar zunächst den Misstrauensantrag im Parlament in Den Haag, aber die beiden D 66-Minister erklärten gleich im Anschluss ihren Rücktritt.

Damit war die Koalition zerbrochen. Ohne den kleinen Partner hat die Koalition von Balkenende keine Mehrheit mehr im Parlament. Balkenende bemühte sich um Schadensbegrenzung und spielte das Ende der Koalition herunter: „Das hat für mich eigentlich gar keine Bedeutung. Ich stehe für eine ehrliche Politik und die werde ich auch weiterhin betreiben“, erklärte er kurz nach seiner Fernsehansprache am späten Donnerstagabend, in der er seinen Rücktritt angekündigt hatte.

Verdonk von der rechtsliberalen VVD ist sich unterdessen keiner Schuld bewusst: „Es gibt nur einen Schuldigen in dieser Sache, und das ist die D 66“, erklärte die Noch-Ministerin gestern. Auch andere Mitglieder der VVD reagierten verärgert auf das Verhalten der Koalitionskollegen. Aber 59 Prozent der Niederländer halten laut einer Umfrage das Verhalten Verdonks für falsch. Und 46 Prozent fordern demnach auch die von Balkenende angekündigten vorgezogenen Neuwahlen. Wahlen waren eigentlich erst für kommendes Frühjahr geplant.

Umfragen sagen Balkenendes Christdemokraten und der D 66 Stimmenverluste voraus. Die Sozialdemokraten und die Grünen werden voraussichtlich dazugewinnen. Bis zu den Wahlen wird die bestehende Koalition ohne D 66 die Geschäfte weiter führen.

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