die taz vor 12 jahren
: Document Center wird Deutsch

Kurz nach der Verabschiedung der letzten alliierten Truppen aus Berlin, kurz vor den gemeinsamen Jubiläumsfeiern zur Befreiung vom Naziterror geht das Berliner Document Center an die Deutschen zurück, eine der letzten und zugleich zentralsten Behörden der Alliierten.

75 Millionen Dokumentenblätter, Ariernachweise, Parteimitgliedskarten, Ausschlußanträge der Reichskulturkammer sind es nicht allein, die hier übergeben werden. Auch wenn nur ein Schild ausgewechselt wird und die Sache insgesamt recht lapidar vonstatten geht – die Übergabe ist immerhin ein weiteres Indiz dafür, daß die internationale Gemeinschaft die Deutschen für fähig hält, sorgsam und unter Einhaltung demokratischer Spielregeln mit dem papiernen Erbe der Täter umzugehen.

Kohl hat dem Jüdischen Weltkongreß versichert, man gedenke nicht, den Zugriff auf das Archiv künftig restriktiver zu handhaben. Dennoch sieht nicht nur der Jüdische Weltkongreß nicht ein, warum Dokumente, für die „mit dem Blut junger amerikanischer und alliierter Soldaten“ bezahlt wurde, den Deutschen gehören sollen, die sie lediglich haben wollten, um den „Holocaust zu vergessen“ oder womöglich gar obskuren Handel damit zu treiben.

Ein erhebliches Mißtrauen blieb. Deshalb einigte man sich auf das größte Filmprojekt der Geschichte: 75 Millionen Seiten gehen auf Mikrofilm nach Amerika, wo sie, gemäß dem „Freedom of Information Act“ im Prinzip jedermann zugänglich sind, auch unmittelbar nach dem Tod der Betroffenen. Drüben wird sich auch Arnold Schwarzenegger nicht mehr dagegen wehren können, daß man etwas über seinen Vater erfährt …

Mariam Niroumand, 3. 7. 1994