„Baskische Gefangene nach Hause“

SPANIEN Eine Großdemonstration von 130.000 Menschen in Bilbao fordert von der Regierung in Madrid, einen Friedensprozess mit ETA einzuleiten. Die Gefangenen sollen ins Baskenland verlegt werden

AUS MADRID REINER WANDLER

Die Schlagzeile auf der Webseite der linksnationalistischen baskischen Tageszeitung Gara trifft es: „Der regierenden konservativen Partido Popular (PP) gelingt es, die baskische Mehrheit für den Friedensprozess auf die Straße zu bringen.“ Nicht etwa, dass die Partei des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy mobilisiert hätte. Es ist vielmehr das Verbot einer Demonstration für bessere Haftbedingungen für die Gefangenen aus der Separatistenorganisation ETA, ausgesprochen vom Obersten Strafgerichtshof, das einen Protestmarsch zur Folge hat, wie ihn das Baskenland bisher nicht gesehen hat. Am Samstagabend gingen in Bilbao 130.000 Menschen auf die Straße. Motto: „Menschenrechte, Abkommen, Friede.“

Rund 300 Busse und Tausende von Pkws blockierten bereits Stunden vor dem Protestmarsch die Zufahrtstraßen der baskischen Stadt Bilbao. Die Teilnehmer fordern einen Friedensprozess. „Baskische Gefangene nach Hause“ riefen sie immer wieder und machten damit klar, wie ein erster Schritt aussehen könnte. Denn die Regierung Rajoy hat in den mehr als zwei Jahren, nach dem ETA ein Ende des bewaffneten Kampfes verkündete, nichts unternommen, um den Frieden zu festigen.

Aufgerufen zur Demo hatte ein politisches Spektrum von ETA-nahen politischen Gruppen und Parteien über nationalistische Gewerkschaften bis hin zu der in der rebellischen Nordregion regierenden christlich-konservativen Baskisch Nationalistischen Partei (PNV). Vertreter der Gewerkschaft CCOO schlossen sich dem Protestzug ebenso an wie bekannte baskische Künstler, Intellektuelle und Sportler. Aus Katalonien kamen nationalistische Delegationen.

„Angesichts der Verletzung der Menschenrechte und angesichts negativer Maßnahmen bestätigen alle hier Anwesenden den Willen, das neue politische Szenario, das sich für unser Volk aufgetan hat, zu stärken“, hatte der PNV-Vorsitzende Andoni Ortuzar am Vortag auf einer Pressekonferenz erklärt, auf der er nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs zusammen mit den Linksnationalisten der ETA-nahen Sortu zur Demonstration aufrief. Es war das erste Mal seit fünf Jahren, dass PNV und Linksnationalisten gemeinsam mobilisierten.

Die ursprünglich verbotene Demonstration wollte unter dem Motto „Tropfen für Tropfen“ die Forderung der Gefangenen aus ETA und deren Angehörigen nach Rückverlegung in heimatnahe Haftanstalten unterstützen. Die über 500 Gefangenen sind seit Jahrzehnten über ganz Spanien verteilt. Besucher müssen so oft weit über 1.000 Kilometer zurücklegen.

Das Oberste Strafgericht hatte mit dem Demonstrationsverbot einem Antrag unterschiedlicher Vereinigungen der Opfer der ETA stattgegeben. Der Aufruf zur Demo käme aus dem Kreis verbotener Organisationen, hieß es. Ein weiteren Antrag, auch die Demonstration gegen das Demonstrationsverbot zu verbieten, wurde von einem anderen Richter an der Audiencia Nacional kurz vor Beginn des Marsches durch Bilbao abgelehnt.