TANIA MARTINI LEUCHTEN DER MENSCHHEIT
: Endzeittheater im Panikmodus

Viel ist zu lesen von der Rückkehr des Marxismus in der Krise. Und dennoch muss man schon bis Berkeley fahren, um marxistische Theorie an einer Universität zu studieren. Das ist eine bemerkenswerte Schieflage, und man kann vermuten, dass die Theatersäle bei Vorträgen marxistischer Theoretiker derzeit auch deshalb aus allen Nähten platzen, weil deren Ansätze kaum noch in hiesigen Universitäten vermittelt werden.

Aber vielleicht ist das der Normalzustand, und die Tatsache, dass in den 30 Jahren nach 1968 überhaupt kritische Theorie gelehrt werden konnte, ist eine Anomalie, wie der Wiener Soziologe Heinz Steinert (www.folks-uni.org) anmerkt und erinnert, dass die Universität zu fast allen Zeiten als Hort der Reaktion galt. Der tröge Akademismus ist Ausdruck davon. Da wirkt die Verve eines Slavoj Žižek geradezu erfrischend. Er gilt als Neurotiker, Popstar, gefährlichster Philosoph et cetera und präsentiert sich im aktuellen Spiegel im Bett mit Stalin-Devotionalien und auf der Toilette in Rodin’scher Denkerpose.

Das kann man witzig und kokett finden, ironisch ist das kaum. Žižek predigt einen Lenin ohne Leninismus, was streng genommen gar nicht geht. Žižek stört es nicht, dass Institutionen disziplinarischen Zugriffscharaker haben, wenn nur die richtigen Leute am Hebel sitzen. Da wundert es nicht, dass man in seinen Schriften nicht den Ansatz eines Versuchs findet, den Staat als bestimmte soziale Form des Politischen zu reflektieren. Zu seiner wilden assoziativen Methode passt, dass er in seinem jüngst erschienenen Buch „Living in the End Times“ (Verso, 2010) das Bild der apokalyptischen Reiter bemüht, um in den Panikmodus zu schalten. Möchte man mit Žižek Kommunist sein?

Nicht Žižeks Antikapitalismus ist „gefährlich“, wie die ewigen Verteidiger des Liberalismus behaupten, sondern das neutralisierende Spaßbad, in das er die kommunistische Idee hineinwirft, um sie unfreiwillig zur modischen Spinnerei zu degradieren, mit der man in der Krise ein bisschen Theater sein darf.

Die Autorin ist Kulturredakteurin der taz Foto: privat