Daimler kommt davon

MENSCHENRECHTE Während der Diktatur in Argentinien soll der Autokonzern Mitarbeiter an die Militärjunta ausgeliefert haben, so der Vorwurf. In den USA wird der Fall nicht verhandelt, entschied der Oberste Gerichtshof

AUS BUENOS AIRES JÜRGEN VOGT

Der multinationale Autokonzern Daimler wird in den USA nicht wegen des Vorwurfs der Zusammenarbeit mit der Militärdiktatur in Argentinien in den 1970er Jahren angeklagt. Der Oberste Gerichtshof der USA entschied am Dienstag (Ortszeit) einstimmig, dass der Konzern nicht in Kalifornien verklagt werden kann. Damit hoben die Richter das Urteil eines Bundesberufungsgerichts vom Mai 2011 auf.

Der Anwalt der Familienangehörigen kritisierte die Entscheidung: „Wir wussten, dass es keine rechtlichen Hindernisse gab, die Verantwortlichkeit der Firma zu untersuchen“, sagte Eduardo Fachal. „Aber wir haben immer die ökonomische Macht der Firma sowie die Lobby anderer Einrichtungen gefürchtet, die sich in den Verfahren als Freunde präsentierten und für den Fall eines anders lautenden Urteils drohten, dass dies zukünftige Investitionen in den Vereinigten Staaten beeinträchtigen könnte.“

Noch 2011 hatten die Berufungsrichter in San Francisco entschieden, dass eine zivilrechtliche Entschädigungsklage gegen Daimler wegen Tötung, Folter und anderen Menschenrechtsverletzungen an Mercedes-Benz-Arbeitern in Argentinien von einem Gericht in den USA angenommen werden muss.

Konkret ging es um die Klage von 22 Argentiniern, die den Autokonzern für das Verschwinden von mindestens 14 Betriebsräten in den Jahren 1976 und 1977 während der Militärdiktatur in der argentinischen Niederlassung von Daimler-Benz zur Verantwortung ziehen wollten.

Mercedes-Benz Argentina habe damals mehrere unbequeme Arbeitnehmervertreter in seinem Werk in der Nähe des Ortes Gonzales Catán in der Provinz Buenos Aires an die Diktatur ausgeliefert, um einen Streik zu beenden, so der Vorwurf. Zeugenaussagen wie die des Überlebenden Héctor Ratto weisen auf eine Zusammenarbeit zwischen der Werksleitung und den Militärs hin. Der ehemalige Betriebsrat Ratto sagte bei einer Vernehmung aus, dass der damalige Daimler-Manager Juan Tasselkraut ihn persönlich den Sicherheitskräften übergeben und diesen außerdem die Adresse des Arbeiters Diego Nuñez mitgeteilt habe. Dieser verschwand daraufhin ebenfalls. Bis heute ist Nuñez nicht mehr aufgetaucht. Da eine bereits 2002 eingereichte Klage in Argentinien nicht vorankommt, versuchten die Überlebenden und die Angehörigen der Verschwundenen den Weg über die USA. 2004 wurde die Klage eingereicht, die zunächst 2009 von einem Bezirksgericht abgewiesen worden war, da sich das Gericht nicht zuständig fühlte.

Das sahen die Richter am kalifornischen Berufungsgericht im Jahr 2011 anders. Die USA hätten in den fraglichen Jahren so viele in Argentinien montierte Daimler-Fahrzeuge importiert, dass der Autobauer in den USA vertreten sei und dementsprechend unter die US-Gerichtsbarkeit falle. In den USA vertretene Firmen sind laut Gesetz für Vorkommnisse an ihren Standorten im Ausland verantwortlich. In Deutschland wurde ein Verfahren der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen Tasselkraut bereits vor Jahren eingestellt, ihm war persönlich Beihilfe zum Mord oder Totschlag vorgeworfen worden.

Nun werde nur noch ein Fall in Argentinien verhandelt, sagte die Daimler-Sprecherin. Allerdings seien dort die argentinische Tochter Mercedes-Benz Argentina sowie der argentinische Staat angeklagt.