Modernisierungsschub für Marokko

MAGHREB Die Europäische Union und das nordafrikanische Land verstärken ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit. Europäische Investitionsbank fördert Afrikas größten Windpark mit 80 Millionen Euro

■ Die EU will ihre Beziehungen zum Mittelmeerraum stärken. Eingeleitet wurde dies mit der Mittelmeerzusammenarbeit im Rahmen des Barcelona-Prozesses 1995. Im Jahr 2004 startete die Europäische Nachbarschaftspolitik mit dem Ziel, den Barcelona-Prozess zu stärken und zu ergänzen Der Europa-Mittelmeer-Gipfel am 13. Juli 2008 in Paris besiegelte die Initiative „Union für das Mittelmeer“ (UfM). Die Beziehungen zu Marokko und Tunesien haben seitdem einen sogenannten fortgeschrittenen Status. Fortgeschrittener Status bedeutet wirtschaftliche Öffnung, verbunden mit Reformen im Land.

BERLIN taz | König Mohammed VI. von Marokko hat jüngst den nach offiziellen Angaben größten Windpark Afrikas eingeweiht. In Melloussa nördlich von Tanger an der Atlantikküste drehen sich künftig 165 Windräder, die 140 Megawatt Strom liefern sollen, wie Energieministerin Yasmina Benkhadra sagte. Der Windpark hat demnach 250 Millionen Euro gekostet – die Europäische Investitionsbank förderte das Projekt mit 80 Millionen Euro, die deutsche KfW gab wie die spanische Instituto Credito Official 50 Millionen Euro. Die Atlantikküste Marokkos ist dank der beständigen Passatwinde einer der besten Standorte für Windparks weltweit. Rabat will die Windenergie kräftig ausbauen, wie Benkhadra sagte: Bis 2020 soll sie 14 Prozent des Energiebedarfs des Landes decken.

Marokko modernisiert sich. Es ist eine Modernisierung der Eliten mit Hilfe der EU. Im Jahr 2008 wurde die Beziehung zu Marokko auf einen „fortgeschrittenen Status“ (statut avancé) festgelegt. „Dies ist ein Zeichen für das Vertrauen in die Bemühungen Marokkos im Rahmen der politischen Reformen, Verstärkung des Rechtsstaats, Verbesserung des juristischen Systems, ökonomischen Reformen, Armutsbekämpfung und des sozialen Zusammenhalts“, erklärt der marokkanische Außenminister Taieb Fassi Fihrin anlässlich der Verleihung. Außer Marokko hat nur das repressive, korrupte Tunesien das Privileg des fortgeschrittenen Status.

Dass der EU an der Kooperation mit den Maghreb-Staaten stark gelegen ist, findet in der finanziellen Förderung Ausdruck. Marokko erhält aus den Nachbarschaftsbudgets von 2007 bis 2010 rund 654 Millionen Euro für sozialpolitische und wirtschaftliche Maßnahmen. Nach Algerien fließen 220 Millionen Euro für Arbeitsplätze, Bildung, Gesundheit, Wasser, nach Tunesien 300 Millionen Euro für Governance, Wettbewerbspolitik und Konvergenz mit der EU.

Khalid El Hariry, Jungunternehmer und Parlamentarier, schwärmt in höchsten Tönen von der Zusammenarbeit mit der EU und den Modernisierungsprojekten: vom neuen Familienrecht, „das die Rechte der Frauen stärkt“; von Bildungsplänen, „die den immer noch hohen Analphabetismus von 40 Prozent in den Griff bekommen sollen“; vom Straßenbau und von Ausbildungsprojekten. „Der Wille zur Modernisierung ist unbedingt da, aber an erster Stelle steht die Liberalisierung und Öffnung der Märkte“, sagt Rachid Filali Mekanassi, der Generalsekretär von Transparency Maroc.

„Die Einhaltung der Menschenrechte ist ein wichtiger und kritischer Punkt des fortgeschrittenen Status“, weiß auch Émilie Dromzee, EU-Koordinatorin für die Frage der Menschenrechte bei den Mittelmeeranrainern. Sie betont die Fortschritte, die aber bei Pressefreiheit und Menschenrechten sehr „zerbrechlich“ seien. Leila Mouhib, Forscherin an der der Freien Universität Brüssel, steht der Annäherung kritisch gegenüber: „Europa spricht von Demokratisierung. Aber die Nachbarschaftspolitik stärkt auch die bestehenden Diktaturen. Die EU zieht die Diktatoren den Islamisten vor. Und die absolute Macht des Königs in Marokko ist tabu.“

„Europa spricht von Demokratisierung. Aber die Politik der Europäischen Union stärkt auch die bestehenden Diktaturen“

Leila Mouhib, Freie Uni Brüssel

Mit einem milliardenschweren Förderprogramm unterstützt der 47-jährige Monarch König Mohammed VI., der 1993 mit einer Dissertation über Perspektiven einer Allianz zwischen Maghreb und Europäischer Union zum Doktor der Rechtswissenschaft promovierte, die Modernisierung des Landes und die Liberalisierung der Wirtschaft. Ausländische Investoren können inzwischen günstig Grundstücke erwerben. In den ersten drei Jahren bleiben Gewinne steuerfrei. EDITH KRESTA