Mexikaner fordern Wahlprüfung

Der linke Präsidentschaftskandidat López Obrador will sich mit seiner Niederlage nicht abfinden und spricht von Wahlbetrug. Hunderttausende unterstützen ihn dabei

MEXIKO-STADT taz ■ Rund 250.000 Menschen beteiligten sich am Samstag in Mexiko-Stadt an einer Kundgebung zur Unterstützung des unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Andrés Manuel López Obrador. Sie kritisierten einen „Wahlbetrug“ und forderten eine Neuauszählung der Stimmen, die bei der Wahl um höchste Staatsamt abgegeben worden waren. „Stimme für Stimme, Wahlurne für Wahlurne“ war auf zahlreichen Transparenten zu lesen, solle der gesamte Wahlvorgang noch einmal überprüft werden.

López Obrador selbst rief seine Anhänger zu einem „nationalen Marsch für die Demokratie“ auf, der am kommenden Sonntag in einer Großdemonstration in der mexikanischen Hauptstadt kulminieren soll. „Ich werde meinen Sieg verteidigen“, erklärte der Politiker der oppositionellen Partei der Demokratischen Revolution (PRD).

Laut zwei Auszählungen der Nationalen Wahlbehörde (IFE) unterlag López Obrador bei den Wahlen vom Sonntag vergangener Woche seinem konservativen Widersacher Felipe Calderón von der Partei der Nationalen Aktion (PAN). Nur knapp 0,6 Prozentpunkte und damit 236.000 Stimmen trennten den PRD-Politiker vom Präsidentschaftsamt. Nun wirft er den Behörden Wahlbetrug vor und spricht von „Unregelmäßigkeiten bei 50.000“ der insgesamt über 130.000 Ergebnislisten der Wahllokale. Er fordert eine weitere Auszählung, in der jeder einzelne Stimmzettel nachgeprüft wird.

Bisher hatte die IFE die jeweils in den Lokalen erstellten Listen zur Ermittlung des Sieges verwendet. Vertreter der PAN und der IFE dagegen verweisen darauf, dass die Öffnung der Wahlurnen illegal sei, wenn kein begründeter Verdacht auf Unstimmigkeiten vorliege.

Der PRD-Kandidat will jedoch vor das oberste Wahlgericht und den Bundesgerichtshof ziehen, um die „tatsächlichen Resultate der Präsidentschaftswahl vom 2. Juli zu verteidigen“. Zur Unterstützung dieses juristischen Weges will er mit dem geplanten „Marsch für die Demokratie“ seine Anhänger in ganz Mexiko mobilisieren. Ab Mittwoch sollen sie sich aus allen Wahlbezirken des Landes in Richtung Hauptstadt in Bewegung setzen. Man werde weder Straßen blockieren noch andere Aktionen unternehmen, die die Bevölkerung belästigen könnten. „Dies ist eine friedliche Bewegung, und wir werden uns weder provozieren lassen noch uns auf das Spiel unseres Gegners einlassen“, erklärte der PRD-Politiker.

Allerdings kämpfe die Partei nicht für eine Annullierung der Wahlen, stellte der Koordinator der Bürgerbewegung Ricardo Monreal klar: „Wir wollen lediglich, dass die Urnen geöffnet werden und neu gezählt wird, damit wir beweisen können, dass Andrés Manuel die Wahl gewonnen hat.“

López Obrador verschärfte seine Kritik gegenüber der Wahlbehörde. Die IFE habe die für die Zählungen verwendeten Computer manipuliert. Man werde „glaubwürdige Beweise“ für einen Wahlbetrug vorlegen. Bisher jedoch hat die PRD diese Beweise noch nicht präsentiert.

Der formal anerkannte Wahlsieger Calderón hat indes angekündigt, dass er eine Koalitionsregierung bilden wolle. Über den möglichen Partner hat sich der PAN-Politiker noch nicht eindeutig geäußert. In Betracht kämen sowohl die PRD als auch die Partei der Institutionellen Revolution (PRI), die bis ins Jahr 2000 über siebzig Jahre lang das Land regierte.

Bereits der amtierende Präsident Vicente Fox (PAN) war mit zahlreichen Reformvorhaben gescheitert, da er gegen eine oppositionelle Mehrheit im Parlament regieren musste. Dieses Schicksal will Calderón offenbar durch die Einbindung einer der beiden anderen großen Parteien vermeiden. Denn die Wahlen zum Abgeordnetenhaus, die ebenso am Sonntag vergangener Woche stattfanden, ergaben auch für die Zukunft keine eindeutige Mehrheit für die Konservativen. WOLF-DIETER VOGEL