Spulen in die Zukunft

Glückwunsch mit Hochspannung: das Tesla im Podewils’schen Palais feierte den 150. Geburtstag des Namensgebers Nikola Tesla mit einer Soiree, bei der versierte Elektronikforscher auf begeistert agierende House-Produzenten trafen

Geburtstagsfeiern sollen den Jubilar ehren. Sie sollen aber nach Möglichkeit auch den Beteiligten Freude bereiten. Was tun, wenn das Geburtstagskind ein schillernder Erfinder ist wie Nikola Tesla? Die Antwort des Tesla im Podewils’schen Palais lautete: schillernd, erfindungsreich und frei von staubfängerischem Huldigungsgehabe feiern. Und mit großem Buffet.

Im Vorraum zum Foyer gab es mit einer Arbeit des House-Produzenten Henrik Schwarz eine erste Kostprobe. Eine Kamera macht die Vorübergehenden mittels einer Gesichtserkennungssoftware zu Mitspielern. Jedem erfassten Gesicht wird ein Computerklang zugeordnet, der, je nach Entfernung oder Höhe des Kopfes, seine Lautstärke oder Tonhöhe ändert. Die Technik arbeitet noch etwas grob, doch es reicht allemal zum gemeinsamen Musizieren mit mehreren Köpfen. „Wir haben das ganz im Sinne von Tesla entwickelt, aus Spaß am Ausprobieren“, so Henrik Schwarz, dem man die Begeisterung deutlich ansehen konnte.

Wer war Nikola Tesla? Der Serbe, der am 10. Juli 1856 in Kroatien geboren wurde und den größten Teil seines Lebens in den USA verbrachte, ist ein Pionier der heutigen Medientechnik. Zu seinen Erfindungen zählen die Radiotechnik und die theoretische Grundlegung des Mobiltelefons. Seine Visionen waren kühn: Er wollte die Stromversorgung direkt über die Luft und damit für alle gratis verfügbar machen. Als „dandyhafter, künstlerischer Typ“, der seine Innovationen auch ungeachtet ihrer etwaigen „ökonomischen Nichtverwertbarkeit“ vorantrieb, passt er laut Carsten Seiffarth, einem der drei Kuratoren des Abends, sehr gut in das Konzept des Tesla, bei dem es stets um die Verbindung von Kunst und Technik geht.

Dieses Zusammenspiel hat der Künstler Jan-Peter Sonntag eindrucksvoll mit einer Arbeit veranschaulicht, in der, wie er sagt, „106 Jahre Mediengeschichte“ stecken. Dabei werden Computerklänge durch so genannte Tesla-Spulen hörbar gemacht. Diese Erfindung Teslas erzeugt hochfrequente Hochspannung und ermöglicht zudem die kabellose Übertragung von Elektrizität. Im abgedunkelten Aufführungsraum wurde dies anhand einer bedrohlich blitzenden und knisternden Spule demonstriert, die eine Neonröhre zum Leuchten brachte, wenn man sie in die Nähe des Geräts hielt.

So faszinierend diese Phänomene zu beobachten sind, war doch die eigentliche Pointe Sonntags eine ganz andere: Seine Computerklänge werden auf Tesla-Spulen übertragen, aus denen „Plasma-Flammen“ leuchten, die den Klang statt über herkömmliche Lautsprechermembranen als „thermische Lautsprecher“ wiedergeben. Bei diesem Verfahren handelt es sich laut Sonntag um die „erste wirklich elektronische Klangerzeugung“, und zwar von Anfang bis Ende.

Die Veranstaltung war jedoch keinesfalls nur für versierte Elektrotechniker gedacht. Wesentlich leichter nachvollziehbar waren zum Beispiel die Radiogeräte, die auf verschiedenen Radiofrequenzen Vorträge Teslas zu Gehör brachten. Übertragen wurden die Signale durch selbst gebaute Schaltungen, die von der Decke des Foyers baumelten und als „Piratensender“ die Signale anderer Radiosender überlagerten.

Erfreulich auch, dass der Rhythmus des Abends, an dem vieles parallel lief, ohne sich groß gegenseitig zu behindern, äußerst entspannt pulsierte. Kleinere Pannen wurden mühelos produktiv in Dienst genommen: Da der Festredner Velimir Abramović von der Belgrader Kunstakademie aufgrund von Visaproblemen nicht physisch anwesend sein konnte, wurde sein Beitrag kurzerhand für „telematisch“ erklärt – und so sprach er per Telefon aus Belgrad über Teslas Bedeutung als „wahrer wissenschaftlicher Mystiker“. Als anschließend noch ein Feuerwerk gezündet wurde, erklang im Hintergrund hedonistischerweise keine sperrige Frickelelektronik, sondern Stevie Wonders „Happy Birthday“.

TIM CASPAR BÖHME