ORTSTERMIN: DIE PALÄSTINENSISCHE FRAUENNATIONALMANNSCHAFT ZU GAST IN BREMEN
: „Hier riecht es nach Freiheit“

Der Trainer referiert lange, was eine Spielerin nicht davon abhält, ein Telefonat ihrer Oma anzunehmen

An der Ostkurven-Baustelle im Weserstadion teilt sich der Weg. Geradeaus lockt das Stadionbad, – es ist kurz vor 19 Uhr und immer noch über 30 Grad warm. Doch überraschend viele Leute wählen den Weg nach links, an Platz 11 vorbei auf den Glutofen der Kunstrasenplätze zu.

Normalerweise spielt die zweite Frauenmannschaft von Werder Bremen vor einer Handvoll Fans in der Verbandsliga. doch heute Abend ist die palästinensische Frauennationalmannschaft zu Gast in Bremen. Die elf jungen Frauen kauern mit ihrem Trainer am Rande des Platzes und halten die letzte Mannschaftsbesprechung vor dem Spiel ab.

„Frauen-Fußball gibt es in der Westbank erst seit 2004“, sagt Annette Klasing, die gerade die palästinensische Flagge am Zaun angebracht hat. Klasing ist Bildungsreferentin im Bremer Lidice-Haus, wo die Spielerinnen für neun Tage leben. In einer „überwiegend muslimisch und patriarchal geprägten Gesellschaft“ sei Fußball lange undenkbar gewesen, sagt Klasing. Die erste Frauenmannschaft wurde im internationalen Begegnungszentrum Bethlehem gegründet – von einer jungen Frau, die sich als Erste öffentlich dazu bekannte, den Fußball zu lieben. Die junge Frau, Honey Thaljie, ist jetzt die Kapitänin.

Als das Team sich zum Aufwärmtraining erhebt, bleiben zwei Spielerinnen traurig zurück: die Torfrau mit gebrochenem Nasenbein und Kapitänin Thaljie mit verletztem Meniskus. Beides unfreiwillige Folgen der dreitägigen Ballschulung mit den Frauen von Werder. „Morgen lasse ich mich von Werders Mannschaftsarzt untersuchen“, sagt Thaljie. Immerhin hat sie so Zeit, Fragen zu beantworten. „Wir sind nicht nur wegen Fußball hier“, sagt sie. „Uns geht es auch darum, das Bild der palästinensischen Frauen hier zu verändern. Man denkt hier doch, wir sind schlecht ausgebildet, ein bisschen dumm, tragen alle Schleier und sitzen nur mit den Kindern zu Hause. Aber wir haben Persönlichkeiten und viele Fähigkeiten. Mit dem Fußball wollen wir für Liebe, Frieden und Gerechtigkeit werben.“

Dann erzählt sie von den Schwierigkeiten, in der besetzten Westbank Fußball zu spielen, von den Einschränkungen durch die Besatzer und durch die Männer auf der eigenen Seite. Sie selbst ist Christin, das Team religiös gemischt. „Hier riecht es nach Freiheit“, fasst sie ihre Erlebnisse in Bremen zusammen. „Das kennen wir nicht.“

Mit dem Anpfiff geht es nur noch um Fußball. Da die Palästinenserinnen nur neun gesunde Spielerinnen zur Verfügung haben, wird auf einem Siebener-Feld gespielt. Lange halten die Gäste gut mit, kassieren gegen Ende der ersten Halbzeit dann aber doch drei Tore kurz hintereinander. Die Stimmung bei der Pausenbesprechung scheint nicht gut zu sein, es wird heftig über Fehler und Umstellungen diskutiert. Der Trainer referiert lange, was eine Spielerin nicht davon abhält, zwischendurch ein Telefonat ihrer Oma anzunehmen. „Das würde es bei uns nicht geben“, sagt Werder-Trainerin Birte Brüggemann, die den Gästen während des Spiels einige taktische Tipps gibt.

Kurz vor Wiederanpfiff versammelt sich die Mannschaft noch einmal ohne Trainer um ihre verletzte Kapitänin. Jetzt hören alle zu. Ein Ehrentreffer gelingt trotz großer Chancen nicht mehr, am Ende steht es 0 : 4. Die Tore haben sie sich für heute Abend aufgespart. Dann treten die Palästinenserinnen in Hamburg gegen die Frauen vom FC St. Pauli an. RALF LORENZEN