PRESS-SCHLAG
: In der Zone

KOPFSACHE Bei Borussia Dortmund fließt es nicht mehr. Sie müssen halt wieder in den Flow kommen. Aber wie?

Robert Lewandowski hat in der letzten Saison viele Tore geschossen, allein zehn in der Champions League. Vor allem sein Viererpack gegen Real Madrid im CL-Halbfinale ist unvergessen. Das schönste Tor aber erzielte er beim legendären Viertelfinalrückspiel gegen den FC Malaga. Beim Stand von 0:1 eroberte Dortmund im Gegenpressing auf Höhe der Mittellinie den Ball und dann ging alles ganz schnell. Mario Götze passte diagonal zu Reus. Der leitete – mit dem Rücken zum Tor – phänomenal in den Laufweg von Lewandowski weiter. Der Pole nahm den Ball auf, schaufelte im höchsten Tempo den Ball am herausstürmenden Torwart vorbei und schob die Kugel dann rein. Lewandowski war im Flow.

Die Flow-Erfahrung publik gemacht hat der amerikanische Psychologe Mihály Csíkszentmihályi. Im Flow zu sein, heißt: die bewusste Kontrolle ausschalten und den Körper ungehindert sein Ding machen lassen. Für den modernen Hochleistungssport ist die bewusste Kontrolle schlicht viel zu langsam und zu aufwendig. Profifußballer befinden sich evolutionär gesehen meist im Kampfmodus und müssen sich auf ihr „Muskelgedächtnis“ verlassen können. Selbst Freizeitkicker kennen das Problem: Du bekommst einen wunderbaren Pass, überlegst, in welche Ecke du jetzt schießen willst – schon ist der Torwart da oder du schießt daneben. Denkst du aber nicht nach, sondern lässt es laufen, versenkst du scheinbar mühelos – gleichsam automatisch – den Ball genau da, wo er passt. Befreit von den Fesseln des Daseins, gehst du im eigenen Tun auf und gelangst „in die Zone“ – wie dieser mythische Zustand von vielen Athleten genannt wird.

2005 von Sports Illustrated befragt, beschrieb der Basketballspieler Pat Garrity, Forward der Orlando Magic, diesen Zustand so: „Plötzlich fühlt sich der Ball ganz leicht an, und deine Würfe werden mühelos. Man muss nicht mal zielen. Man lässt den Ball los und weiß, er wird im Korb landen. Das ist herrlich. Es ist wie ein schöner Traum, aus dem man nicht erwachen will.“

Das Erwachen kommt aber, „die Zone“ ist Transitland, der Aufenthalt in ihr meist nur von kurzer Dauer. „Wenn das Gefühl langsam verschwindet“, klagte Ben Gordon, Guard bei den Chicago Bulls, „dann ist das einfach schrecklich. Ich merke, wie ich zu mir sage: Los, du musst aggressiver sein. In dem Moment weißt du, es ist weg. Du handelst nicht mehr instinktiv.“

Lewandowski und mit ihm Borussia Dortmund sind momentan außerhalb der Zone. Die Leichtigkeit wiederzufinden, erscheint Jürgen Klopp nach dem 2:2 gegen Augsburg als „die Quadratur des Kreises“. Der Saxofonist Charlie Parker riet seinen jungen Kollegen: „Spielt euer Saxofon nicht, lasst euch von ihm spielen.“ Sollte den Borussen das Kunststück gelingen, sich nicht zu sehr anzustrengen, dann kommen auch Lewandowski und die anderen wieder in den Flow und alles wird gut. STEFAN MAHLKE