Algenplage in der Ostsee

MEER Blaualgen in weiten Teilen des Gewässers. Deutsche Strände bleiben vorerst verschont

VON JONAS VOGT

Das Satellitenbild war dramatisch: Von Finnland bis in die Pommersche Bucht vor Greifswald sind weite Teile der Ostsee mit einem Blaualgenfilm belegt, der in Schlieren an der Oberfläche treibt. „Das Bild ist aber schon eine Woche alt, und aktuelle gibt es wegen der Wolkendecke nicht“, sagt Barbara Hentzsch vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung. Schiffe in der Ostsee würden die Algenblüte bestätigen, seriöse Schätzungen über das genaue Ausmaß seien aber nicht möglich.

„Prinzipiell ist die Algenblüte ein allsommerliches Phänomen“, erklärt Jochen Lamp, Leiter des WWF-Ostseebüros. Wenn in heißen Sommern Sonne und wenig Wind zusammenkämen, würde sie solche Ausmaße annehmen. Die letzte große Algenblüte habe es im Jahr 2005 gegeben. Laut Lamp finden die Algen aber auch durch die Überdüngung in den Ostsee-Anrainerstaaten perfekte Bedingungen vor. „Die Blaualge braucht Phosphat zum Gedeihen. Das findet sie im Dünger reichlich.“ Für die Fische sind die Algen indirekt gefährlich. Bei ihrer Zersetzung wird besonders viel Sauerstoff verbraucht. Dabei bilden sich laut Lamp „regelrechte Todeszonen“.

Für die deutsche Ostseeküste besteht zumindest kurzfristig Entwarnung. „Unser Schiff hat vor Rügen keine erhöhte Konzentration von Algen feststellen können“, beruhigt Harald Stegemann vom Landesumweltamt Mecklenburg-Vorpommern. „Bei der derzeitigen Wetterlage brauchen sich die Touristen eigentlich keine Sorgen zu machen.“ Regen und weniger Sonne bremsten das Algenwachstum. Ein kräftiger Nordostwind wäre zwar in der Lage, die bereits vorhandenen Algen in Richtung der Strände zwischen Flensburg und Usedom zu treiben. Er würde aber gleichzeitig zu einer Durchmischung des Wassers führen und die Algen von der Oberfläche vertreiben.

Den Stränden droht laut Stegemann keine Sperrung. Durch die Algen könne es zwar zu allergischen Reaktion kommen. „Darüber würden wir die Urlaubsgäste aufklären“, verspricht Stegemann. „Ob sie dann baden, müssen sie selbst wissen.“

Verhindern lassen sich Algeninvasionen nicht. „Blaualgen gehören zur Ostsee. Die werden auch in Zukunft in heißen Sommern Blütezeiten haben“, erklärt Hentzsch. Gelange aber weniger Düngemittel in die Ostsee, verringerten sich die Ausmaße.

Der WWF weist auf die Pflicht der Anrainerstaaten hin. „2007 haben sich die Staaten ehrgeizige Ziele gegen die Nährstoffanreicherung in der Ostsee gegeben. Das Gegenteil passiert.“

Einen Zusammenhang mit der aktuellen Algenblüte habe das aber nicht. „Wir ernten gerade die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte“, erklärt Lamp. Die Ostsee tausche ihr Wasser in Zyklen von etwa 30 Jahren über den Zufluss zur Nordsee aus. „Wir müssen jetzt gegensteuern, damit die nächste Generation eine bessere Ostsee vorfindet.“

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