Politik macht Partypause

Hunderttausende Schwule und Lesben feiern den Kölner Christopher Street Day. Kritik an Kürzungen der Landesregierung nur am Rande. Politiker nutzen das Straßenfest zur Eigenwerbung

von STEPHAN GROßE

Rund 600.000 Schwule und Lesben feierten gestern in den Straßen Kölns den Christopher Street Day. Am Paradezug durch die Innenstadt nahmen ab Mittag rund 20.000 Leute mit 70 Wagen teil. So demonstrierten sie für Gleichberechtigung und Toleranz.

In diesem Jahr war das Motto „100 Prozent NRW nur mit uns“ zwar sehr politisch, darüber gesprochen wurde aber nur eine Stunde. Die Veranstalter wählten das Thema, um gegen die Kürzungen der amtierenden schwarz-gelben Landespolitik zu demonstrieren, unter denen sie stärker litten als andere: Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen erhalten weniger Geld.

Während der zwei kurzen Diskussionsrunden auf dem Kölner Altermarkt am Samstag während des „Cologne-Pride“-Straßenfests, wurde vor allem über die Fortschritte der Homobewegung diskutiert. Besonders die neue Fassung des Lebenspartnerschaftsgesetzes, das seit Anfang vergangenen Jahres in Kraft ist, wurde gelobt. Seitdem sind wesentliche Dinge einfacher geworden: Homosexuelle Arbeiter und Angestellte sind ihren Hetero-Kollegen völlig gleichgestellt. Bringt ein Partner ein Kind mit in die eingetragene Partnerschaft, kann es als Stiefkind adoptiert werden. Wie Heteros können sich Homosexuelle verloben: Das hat vor allem den Vorteil, dass sie als Angehörige anerkannt werden. Zudem erhalten sie ein Zeugnisverweigerungsrecht. Auch Unterhaltszahlungen sind seitdem genauso geregelt wie bei einer Ehe.

Dennoch sind viele Punkte offen geblieben, gerade was die steuerliche Gleichstellung angeht. „Das Ziel Ehe bleibt bestehen“, sagte Axel Blumenthal, Mitglied des Bundesvorstands des Lesben- und Schwulenverbands Deutschlands (LSVD).

Besonders viele Probleme gibt es noch für binationale Homo-Paare. „Häufig sind sie dreifach-diskriminiert“, sagte Mikos Delveroudis, der homosexuelle Migranten berät. Sie seien wegen ihre Herkunft und sexuellen Orientierung in der Gesellschaft diskriminiert. Aber auch in der Homo-Community gelten sie als Exoten. Auch das Thema antischwuler Gewalt wurde diskutiert: „Köln ist tragischerweise nicht so tolerant wie es scheint“, sagte Sascha Facius vom Kölner Schwulen-Überfall-Telefon. Gewalttaten würden mitten in der Stadt passieren, die Dunkelziffer sei hoch. Häufiges Problem in vielen Bereichen: fehlende Statistiken.

Die Kölner Bundestagsabgeordnete Lale Akgün (SPD) nutze das Straßenfest, um für ihre Politik zu werben. Immerhin sind nach Schätzungen des LSVD rund zehn Prozent der Wahlberechtigten homosexuell. Akgün sagte, dass endlich die sexuelle Orientierung auch als Asylgrund anerkannt werden muss, da vielen Menschen in der Heimat Verfolgung drohe. Dafür gab es vom Publikum viel Applaus. Allerdings konnte sie auch auf taz-Nachfrage keine konkreten Initiativen nennen – eine eigene stellte sie ebenfalls nicht in Aussicht.