Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Das feierliche Bundeswehrgelöbnis zum Attentat auf Hitler 1944 ist nicht schlecht, wenn damit die Bereitschaft zum Ungehorsam gelehrt wird. Damals kam es zu spät – und geschah vor allem, weil der Krieg offensichtlich verloren ging

Der Widerstand des 20. Juli war elitär.Außerdem könnte der Bendlerblock in Berlin ein Denkmal des „Unbekannten Deserteurs“vertragen

taz: Was war schlecht in der letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: Jens Voigt gewinnt eine Tour-Etappe. Weiß der nicht, dass ich dieses Jahr boykottiere?

Was wird besser in dieser?

Vielleicht gucke ich eine Zusammenfassung, aber mit Helm, Ohrenstöpsel und Sonnenbrille.

Die große Koalition wird seit dem mageren Kompromiss zur Gesundheitsreform von den Medien geohrfeigt …

Da muss man erst mal drauf kommen, einen halben Prozentpunkt höhere Beiträge „mager“ zu finden.

und „Angela Mutlos“ titelte der Spiegel vergangene Woche. Ist das nur die Enttäuschung von Reformrhetorikern, die noch immer dem Gespann Merkel/Westerwelle nachtrauern? Oder regiert Merkel wirklich zu wenig?

Hinterher Anteil an der Beute fordern, kann normalerweise nur der, der vorher mitgekämpft hat. Interessant, wie sich der Spiegel hier noch einmal zum Regierungswechsel positioniert.

Am Donnerstag findet in Berlin ein feierliches Gelöbnis der Bundeswehr statt, anlässlich des gescheiterten Attentats auf Hitler 1944. Ist das die richtige Form des Gedenkens?

In der Geschichte des 20. Juli spielte die kriechend langsam wachsende Bereitschaft einiger Offiziere, den Eid auf Hitler zu brechen, eine zentrale Rolle. Heute Gelöbnisse mit der Lehre zu verbinden, dass man seinem Land unter Umständen damit am besten dient, wenn man irrsinnige, unmenschliche Befehle verweigert, kann ich nicht schlecht finden. Die Tragik des deutschen Widerstands bleibt: zu wenig, zu spät, zu hilflos. Häufig war den beteiligten Militärs nicht der Krieg Grund zum Attentat – sondern dass er absehbar verloren ging. Insofern ist die Nachricht des 20. Juli, jede andere Elitenbildung hinter die einer ethischen Elite zurückzustellen.

Was wäre die richtige Form des Gedenkens?

Sozialdemokraten, Gewerkschafter und bürgerliche Zivilisten unter den Attentätern scheinen bereits vergessen. Die bisherige Gedenkpraxis macht aus dem 20. Juli ein Heldengedenken des Adels und der Offiziere. Es verdrängt die vielen namenlosen Kommunisten oder Einzeltäter wie Elser. Die Kopplung an den militärischen Aspekt beraubt uns der möglichen Lehren über zivilen Ungehorsam.

Verteidigungsminister Jung will im Bendlerblock – wo Stauffenberg erschossen wurde – ein Ehrenmal für im Ausland gefallene Bundeswehrsoldaten errichten. Brauchen wir das?

Das folgt der kruden Logik, nach der die Bundeswehr heute der bewaffnete Arm des Roten Kreuzes sei. Ich sehe keinen inneren Zusammenhang zum 20. Juli. Der Bendlerblock könnte ein Denkmal des „Unbekannten Fahnenflüchtigen“ vertragen; die wurden erschossen, verfemt und blieben entrechtet.

Vor allem in Hessen gibt es Proteste von Studenten gegen Studiengebühren. Zu Recht?

NRW, Baden-Württemberg und Bayern sortieren ihre akademische Jugend bereits wieder nach Kasse der Eltern; Rheinland-Pfalz, Thüringen und Brandenburg wollen folgen. In Hessen kulminiert das Thema, weil dort Studiengebühren in der Verfassung ausdrücklich verboten sind. Nimmt man das Pisa-Ergebnis noch hinzu, wonach wir ohnehin schon das asozialste aller Bildungssysteme haben, gibt es vielleicht die Chance, bürgerliche Schichten mit dem Protest zu erreichen. Wenn nicht einige Studierende meinen, die Unis wären eh zu voll, und die Prollkinder sollten ruhig verschwinden.

Noch immer sprechen alle über Zidane und Materazzi. Der Kopfstoß inspiriert immer mehr Künstler, Autoren oder Computerspielmacher. Wie erklären Sie sich das?

Gar nicht, das genieße ich nur.

In Deutschland soll jetzt Joachim Löw die Nationalelf zur Europameisterschaft führen. Ist er der richtige Mann?

Wieso? Gerüchteweise nannte die Mannschaft Klinsi und Jogi ohnehin schon Siegfried und Roy, und das glitzert doch schön. Klinsmanns Kraft, eine gute Geschichte rechtzeitig zu beenden, finde ich klasse. Was Löw kann, wird sich nun erst mal zeigen dürfen; mehr Referenzen hätte Otmar Hitzfeld zu bieten gehabt.

FRAGEN: SR, DAH