Ende der Residenzpflicht, ja bitte – aber für alle

JUSTIZ Nicht nur dealende Kinder sollen nach Brandenburg gehen können, sagen Verbände

„Einzelfallregelungen sind keine Lösung“

MARTINA MAUER, FLÜCHTLINGSRAT

Fernab der Berliner Drogenszene in Brandenburg sollen die minderjährigen Dealer, die derzeit in aller Munde sind, Läuterung erfahren. Was dem im Weg steht: die Residenzpflicht, nach der Flüchtlinge Berlin nicht verlassen dürfen. Deshalb überlegt die Senatsinnenverwaltung, diese Aufenthaltspflicht „im Einzelfall“ zu lockern. Kritik daran üben Flüchtlingsverbände, die seit Jahren fordern, die Residenzpflicht ganz abzuschaffen.

Die beiden Minderjährigen, die wiederholt beim Dealen mit Heroin von der Polizei aufgegriffen wurden, gelten als unbegleitete Flüchtlinge. Die Diskussion, die Residenzpflicht für die zwei Jungen aufzuheben, sei „falsch und völlig unsachlich“, findet Thomas Berthold, Referent des Bundesverbandes für unbegleitete minderjährige Jugendliche. „Die Jugendlichen nach Brandenburg zu verschicken ist eine Kapitulation Berlins, sich richtig um die Jugendlichen zu kümmern“, sagt Berthold.

Viel dringlicher sei eine Lockerung der Residenzpflicht für in Brandenburg untergebrachte Jugendliche: „Gerade für traumatisierte Jugendliche gibt es in Berlin viel mehr Therapieangebote, das Gleiche gilt für Bildungsangebote und Ausbildungsplätze“, sagt Berthold.

Für den Berliner Flüchtlingsrat haben die Fälle der minderjährigen Dealer und die Diskussionen um die Residenzpflicht nichts miteinander zu tun. „Wir sprechen hier von zwei Kindern, aber es entbrennt eine Debatte, die jugendliche Flüchtlinge unter Generalverdacht stellt“, sagt Martina Mauer, Sprecherin des Flüchtlingsrats. Zudem seien Ausnahmeregelungen von der Residenzpflicht schon immer möglich, etwa im Falle von Familienzusammenführungen. „Einzelfallregelungen sind jedoch keine Lösung, wir fordern das generelle Recht für Flüchtlinge, sich frei zu bewegen“, sagt Mauer.

Diesem Ziel könnte sie bald ein Stückchen näher kommen: Denn die lange angekündigte Erleichterung der Reisefreiheit von Flüchtlingen zwischen Berlin und Brandenburg scheint nun Wirklichkeit zu werden. Laut Senatsinnenverwaltung soll der Berliner Erlass dazu in den nächsten Tagen veröffentlicht werden. Zu Einzelheiten wollte deren Sprecherin der taz vorab allerdings nichts sagen.

Der Flüchtlingsrat hofft auf pauschale Reisegenehmigungen für längere Zeiträume und ohne Angabe des Reisegrunds. Auch Canan Bayram, flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen, hofft auf uneingeschränkte Reisefreiheit von Flüchtlingen zwischen beiden Ländern: „Wenn das gelingt, hätten wir einen Riesenschritt in der Lockerung der Residenzpflicht erreicht.“ KATHLEEN FIETZ