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: JÜRGEN SCHÖN über den mühsamen Nadelstich-Streik der Busfahrer im Kölner Umland

Für Hubert Timpe ist klar, warum er streikt. „Seit fünf Jahren haben wir keine Lohnerhöhung, aber alles wurde teurer. Mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer und der Sozialabgaben wird es noch schlimmer.“ Und sollte der Busfahrer doch mal zweifeln ob dem Sinn dieses Ausstandes, findet er Rückhalt bei seiner Ehefrau. „Sie meinte nur: Es wird höchste Zeit!“ Seit April befinden sich die Busfahrer beim Regionalverkehr Köln (RVK) in einem „unbefristeten Erzwingungsstreik“ für einen Tarifvertrag. Ein Streik der Nadelstiche: In unregelmäßigen Abständen fallen in den einzelnen Niederlassungen ganze Busschichten aus – so in dieser Woche im bergischen Waldbröl, in der Vorwoche wurde Hürth bei Köln bestreikt. Natürlich ohne Vorankündigung.

So gerät der Fahrplan zumindest für kurze Zeit aus dem Takt. Über 60 Prozent kurzfristige Ausfälle gibt das Unternehmen bisweilen zu. Doch durch Übernahme von Busfahrern aus verbündeten Unternehmen gelingt es dem RVK meistens, nach kurzer Zeit die Lücken zu schließen. Billig ist das auf Dauer allerdings nicht. Von den Busfahrern des RVK sind die Bewohner des kompletten Kölner Umlands abhängig: Von Düren im Westen bis weit in den Märkischen Kreis im Osten bedient der RVK ein Gebiet von rund 8.500 Quadratkilometern. 50 Millionen Fahrgäste kutschierte der Verbund 2005 nach eigenen Angaben.

Eigentlich ein gutes Druckmittel für die rund 700 Beschäftigten, davon gut 500 Busfahrer. Bewegt haben die mit ihrer Politik der Nadelstiche bisher allerdings nicht viel. Immerhin: Am 24. Juli soll es zu einem ersten Sondierungsgespräch zwischen den Parteien kommen. Und so ist Gewerkschaftssekretär Rolf Kluge von Verdi-NRW Süd zumindest mit der Streikbereitschaft der RVK-Mitarbeiter zufrieden: „Je länger die Unternehmensleitung Gespräche verweigert, um so weniger Angst haben sie.“ Und die Zahl der Neueintritte in die Gewerkschaft steige ständig, freut er sich. Dazu hat sicher auch beigetragen, dass dem RVK per einstweiliger Verfügung untersagt wurde, Mitarbeiter wegen der Teilnahme am Streik abzumahnen.

Bei denen sorgt vor allem die fehlende Lohnerhöhung, verlängerte Arbeitszeiten und eine geplante neue Schichtenregelung für anhaltende Streikbereitschaft. Ein Busfahrer, seit elf Jahren bei der RVK, ärgert sich: „Dann haben wir nicht mal mehr Zeit für die gesetzlich vorgeschriebene Pause.“ Die fiele jetzt schon fast regelmäßig aus, weil die Fahrpläne so eng und Verspätungen durch den dichten Verkehr an der Tagesordnung seien. „Ich mache meine Arbeit gern“, sagt der 54-Jährige, aber etwas mehr als 1.300 Euro netto, die er bekommt, müsse einfach drin sein.

Und so könnte es noch lange weitergehen mit dem Streik, wenn es nach den Busfahrern geht. Was allerdings fehlt, ist eine breite öffentliche Unterstützung – auch wenn Kluge überzeugt ist: „Die Fahrgäste sind auf unserer Seite.“ Das scheint mit der lokalen Politik nicht ganz so zu sein: In drei Monaten Streik hat sich kein einziger Politiker bei den Streikposten blicken lassen.