Homos bekämpfen Paradeverbot

Rigaer Stadtverwaltung untersagt aus „Sicherheitsgründen“ Homo-Marsch durch die lettische Hauptstadt. Heute entscheidet ein Gericht über eine Klage der Organisatoren

BERLIN taz ■ Geht es nach der Rigaer Stadtverwaltung, fällt die diesjährige Parade Homosexueller aus. Am Mittwoch verboten die Behörden die Demonstration, die morgen in der lettischen Hauptstadt stattfinden sollte. Andris Grinbergs, ein Sprecher der Stadtverwaltung, begründete dies mit vertraulichen polizeilichen Informationen, denen zufolge es während der Parade zu gewalttätigen Ausschreitungen kommen könnte.

Bereits im Dienstag hatte Lettlands Innenminister und Mitglied der rechten „Lettischen Ersten Partei“, Dzintars Jaundzeikars, ein Verbot der Veranstaltung gefordert. Radikale Gruppierungen könnten eine bedrohliche Situation provozieren. Es sei schwierig, die Sicherheit jedes Einzelnen zu garantieren.

Das Verbot von Homo-Demonstrationen hat in Lettland Methode. Auch im vergangenen Jahr hatte die Stadtverwaltung die „Rigas Praids 2005“ mit der noch fadenscheinigeren Begründung untersagt, dass moralische Werte gefährdet seien. Schließlich fand die Parade doch statt, nachdem ein Gericht einem Widerspruch der Organisatoren stattgegeben hatte.

Maris Sants, landesweit bekannter schwuler und mittlerweile aus der Kirche ausgeschlossener protestantischer Pastor, hält das Sicherheitsargument für vorgeschoben. Im kommenden Herbst werde in Lettland gewählt, und da wolle vor allem die rechte „Erste Lettische Partei“ punkten. „Es geht hier nicht um Schwule und Lesben, sondern um die Demokratie. Und die ist ernsthaft bedroht, wenn Menschen, die friedlich demonstrieren wollen, dieses Verfassungsrecht verweigert wird“, sagt Sants.

Derartige Probleme haben die Gegner der Homos nicht. Mit dem Segen der Stadtverwaltung, der Kirchen und Losungen wie „Homosexualität ist unmoralisch“ sowie „Brüssel – diktiere uns nicht, wie wir zu leben haben“, protestieren sie in Riga seit Wochenanfang täglich mehrere Stunden gegen die Parade.

Der Unterstützung vieler Letten können sie sich sicher sein. Laut einer soziologischen Umfrage unter dem Titel „Toleranz gegenüber sexuellen Minderheiten: Messungen und Temperatur“, die die lettische russischsprachige Tageszeitung Tschas gestern in Auszügen veröffentlichte, meint die Hälfte der Befragten, dass die Homos alles tun sollten, um ihre „Neigung“ zu überwinden. Jeder Fünfte hält Homosexualität für eine Krankheit, jeder Dritte glaubt, dass Homosexualität aufs Engste mit Pädophilie verbunden sei. Die Mehrheit der Befragten ist zudem der Meinung, dass Homos weder Lehrer werden noch in der Armee dienen dürfen.

Die lettische Nichtregierungsorganisation Mozaika, die die Interessen sexueller Minderheiten vertritt, hat Widerspruch gegen das Verbot der Stadtverwaltung eingelegt. Die Entscheidung wird für heute erwartet. „Sollte das Gericht das Verbot bestätigen, wird es am Samstag keine Parade geben. Wir wollen nichts Illegales tun“, sagt Maris Sants. Der Rechtsstreit werde dann aber in die nächste Instanz gehen.

BARBARA OERTEL