Berlin wird bunkerfrei

KALTER KRIEG Für die 21 Atombunker in der Stadt gibt es keinen Bedarf mehr, sie werden nach und nach entwidmet. Dann müssen Land und Bezirke die Anlagen loswerden. Aber an wen?

Von der Lagerung von Grabsteinen bis zur Champignonzucht sei alles denkbar

VON JULIANE WIEDEMEIER

Wäre Berlin jemals von einem Atomschlag heimgesucht worden, hätten 99 Prozent der Berliner nur noch beten können. Denn nur für 1 Prozent war Platz in 21 Atombunkern. Vor zwei Jahren wurde beschlossen, dass auch diese verzichtbar seien. Am Freitag wurde in der Lankwitzer Nicolaistraße der erste dieser letzten Berliner Bunker entwidmet. Doch noch ist unklar, was mit ihm und den anderen geschehen soll.

Der Bund jedenfalls braucht die Anlagen nicht mehr. „Wir haben die neuen Bedrohungsszenarien – auch unter Berücksichtigung der Ereignisse rund um den 11. September – analysiert und festgestellt, dass die vorhandenen Schutzräume den aktuellen Anforderungen nicht mehr entsprechen“, erklärt Elena Schulz, Sprecherin des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BKK). Die Wartung und Instandhaltung der Anlagen sei bereits 2007 eingestellt worden. „Keiner der Schutzräume ist heute noch betriebsbereit.“

Je nach Typ und Bauzeit des Bunkers sollten die Menschen dort zwischen zehn Stunden und 30 Tagen überleben können. Generatoren für die Stromversorgung und Decken lagen immer bereit. Noch im vergangenen Jahr hätten dem für den Unterhalt zuständigen BKK 2 Millionen Euro zur Verfügung gestanden, um die bundesweit 2.000 Bunker zu betreiben, sagt Schulz. „Um die Verwaltung vor Ort kümmern sich bis zur endgültigen Abwicklung der Bunker die Kommunen.“

In Berlin ist der Senat für den Zivilschutz und die Schutzräume verantwortlich. Man habe beim BKK das Geld für die Bunker beantragt und an die Bezirksämter weitergeleitet, erklärt Mathias Gille, Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. „Ein Bunker kostet pro Jahr etwa 250 Euro an Unterhalt für Strom, Wasser und Entwässerung.“

Mit der Entwidmung fallen die Anlagen, von denen nur sieben im Ostteil Berlins liegen, an ihre ursprünglichen Eigentümer zurück. Drei gehen an den Bund, der seit den 1990er Jahren bereits reichlich Erfahrung mit dem Verkauf von Bunkern gesammelt hat, die nicht an den flächendeckenden Zivilschutz gebunden waren. „Bisher sind noch immer Leute mit einer Idee zur Nachnutzung der Bunker auf uns zugekommen“, sagt Barbara Beckstett von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Von der Lagerung von Grabsteinen bis zur Champignonzucht sei alles denkbar. Jetzt warte man die Entwidmung ab. „Bis 2011 sind die drei Anlagen am Markt.“

Der Liegenschaftsfonds Berlin darf fünf Bunker verkaufen. „Auf die Schnelle wird es keine Vermarktung geben“, meint Sprecherin Irina Dähne. Aktuell suche man zwar einen Käufer für das Areal um die ehemalige Lungenklinik Heckeshorn. Um den am Freitag entwidmeten Bunker in Lankwitz wolle man sich aber erst im nächsten Jahr kümmern: „Da sitzen die Indianer drauf, das wird sicher nicht ganz einfach.“ Das Gelände hat der Cowboy and Indian Club Great Old West 1964 gepachtet.

Die restlichen 13 Anlagen fallen an die Bezirke und zwei private Eigentümer zurück. Dazu gehören auch die zwei ABC-Bunker, die in den 1970er Jahren in die U-Bahnhöfe Pankstraße und Siemensdamm integriert wurden. Für die muss sich darum die BVG was einfallen lassen. Aber wie die Räume in Zukunft genutzt werden sollen, weiß dort noch niemand. Fest steht laut einem BVG-Sprecher nur: „Die Übernahme soll zu keinen Mehrkosten für die BVG führen.“