Staat zerrt kräftig am Trikot

Der Wettanbieter betandwin hat tausende Amateurvereine mit Trikots versorgt. Nun könnte es einen Striptease auf Dorfsportplätzen geben: Werbung für Wetten ist nicht gern gesehen, Razzien drohen

„Wir raten dazu, keine Kooperationen mit Wettanbietern einzugehen“

VON KLAUS JANSEN

Der SV Niederkassel fürchtet um seine Bekleidung. „Wenn alles schief läuft, spielen wir demnächst nackt“, sagt der Chef der Fußball-Abteilung, Marc Pfister. Der B-Kreisligist aus der Nähe von Bonn hat ein Problem: Der Verein besitzt für seine Seniorenmannschaft nur drei Trikotsätze – und die sind alle mit dem Schriftzug betandwin.de versehen. Doch weil die Behörden private Sportwettanbieter seit einem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr gerne in der Öffentlichkeit sehen, geht es betandwin-gesponsorten Fußballern im wörtlichen Sinne an den Kragen.

In der vergangenen Woche zwangen Staatsanwälte und Landesbehörden die Profivereine Werder Bremen und 1860 München dazu, das Logo der Zockerfirma von ihrer Brust zu entfernen – weil die Werbung dem allerorten postulierten Kampf gegen die Spielsucht widerspricht. Nun bangt der Unterbau des deutschen Fußballs: Fast 14.000 Mannschaften hat allein betandwin in den vergangenen Jahren mit Spielkleidung ausgestattet, hinzu kommen je knapp tausend Handball-, Tischtennis-, Volleyball- und Basketballteams. Die neue Rechtslage stellt nun das Sponsoring des Amateursports auf den Kopf. „Wir raten unseren Vereinen, keine Kooperationen mit privaten Wettanbietern mehr einzugehen“, sagt Thomas Berndsen, zuständiger Spielleiter des Fußball- und Leichtathletik-Verbands Westfalen.

Schon die alten Kooperationen dürften für die Behörden kaum zu überblicken sein: In fast jeder Amateurliga haben sich Wettanbieter engagiert. Wie lokale Autohäuser, Versicherungsagenturen und Döner-Buden prägen sie jeden Sonntag das Outfit von Freizeitfußballern. „Allein im Fußballkreis Sieg sind mindestens zehn Vereine mit betandwin unterwegs“, sagt Niederkassels Abteilungsleiter Pfister. Sein Verein kassierte rund 10.000 Euro für zwei Jahre für Trikotwerbung, zwölf Meter Werbebande und die Platzierung des Logos auf der vereinseigenen Homepage. „Dadurch konnten wir unseren Spielern zumindest Fahrtgeld zahlen“, sagt Pfister. Weil sich sein Verein als besonders treuer Kunde auszeichnete, durften die Niederkasseler während eines fünftägigen Trainingslagers auf Norderney sogar gegen die Profis von Werder Bremen antreten.

Ob Nordrhein-Westfalens Behörden nun tatsächlich die Dorfsportplätze mit Razzien überziehen, ist noch unklar. „Es besteht die Möglichkeit, dass Staatsanwaltschaften aktiv werden“, sagt ein Sprecher des Justizministeriums. Allerdings sei das eine „Frage der Abwägung“. Will heißen: Es ist gut möglich, dass in Paderborn Wettwerbung verboten wird, in Wuppertal jedoch nicht.

Betandwin jedenfalls will sich weiter im Amateursport engagieren. „Wir lassen die Vereine nicht im Regen stehen“, sagt Firmensprecher Hartmut Schulz. Bislang habe es – von einigen Ausnahmen abgesehen – „fast keine Beanstandungen gegeben“. Und auch im Profigeschäft will betandwin expandieren: Erst vor kurzem stieg man als „Premiumpartner“ beim VfL Bochum ein, auch Arminia Bielefeld, der 1. FC Köln und Borussia Dortmund haben Verträge mit dem Unternehmen. Wie lange die halten, ist allerdings offen: Das NRW-Innenministerium hat die Vereine in einem Rundschreiben bereits darüber informiert, dass man die Werbung für „illegal“ halte.

„Wir warten höchstrichterliche Entscheidungen ab. Aber noch haben wir einen Vertrag mit betandwin und gehen davon aus, dass unser Partner gültige Lizenzen hat“, sagt Dortmunds Präsident Joachim Watzke. Ein Vertreter eines anderen Bundesligaklub schimpft über die „scheinheilige“ und „verlogene“ Haltung der Politik. „In Portugal ist die ganze Liga nach betandwin benannt, und wir sollen nicht einmal Banden aufstellen dürfen? Das geht doch nicht.“

Immerhin könnten es die Bundesligisten wohl eher verkraften, wenn die Staatsanwälte ernst machen. Beim SV Niederkassel sieht das anders aus, sagt Abteilungsleiter Pfister: „In der Kreisliga B finden wir bestimmt keinen anderen Sponsor.“