Der dunkle Attraktive, der mit der Schuld verknüpft blieb

NACHRUF Maximilian Schell war einer der ersten großen Weltstars aus Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg – und ein lohnendes Thema für den Boulevard. Über Marlene Dietrich und seine Schwester Maria Schell drehte er Dokumentarfilme. Nun starb der Schauspieler und Regisseur 83-jährig

Es war eine geschichtspolitisch eher fragwürdige These, die Maximilian Schell 1962 in dem Kinofilm „Das Urteil von Nürnberg“ vorzutragen hatte: Die „ganze Welt“ sollte da in den Schuldzusammenhang aufgenommen werden, der Adolf Hitler und die Verbrechen der Nazis hervorbrachte. Schell spielte Hans Rolfe, einen jungen Anwalt, der den Deutschen Ernst Janning (gespielt von Burt Lancester) zu verteidigen hat.

Dieses Plädoyer, mit dem er, von seinem Blatt abweichend, auch Churchill und den Vatikan in die Verantwortung nahm, war ein großer Auftritt für den jungen deutschen Schauspieler, der dafür mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Es war eines der sichtbarsten Zeichen für die erfolgreiche Westorientierung der jungen Bundesrepublik. Sie brachte nun auch Schauspieler hervor, die es mit Montgomery Clift oder William Shatner aufnehmen konnten.

Das Rollenklischee

Für den 1930 geborenen Sohn eines Schweizer Schriftstellers und einer österreichischen Schauspielerin bedeutete „Das Urteil von Nürnberg“ den großen Durchbruch in einer Karriere, die 1955 mit der Darstellung eines namenlosen Deserteurs in Laszlo Benedeks Kriegsfilm „Kinder, Mütter und ein General“ begonnen hatte. In den sechziger Jahren folgten rasch weitere große Erfolge: Walter Harper in dem Juwelenraubklassiker „Topkapi“, der Gulag-Häftling Marek in „Flucht aus der Taiga“, der junge Spion Dieter Frey in Sidney Lumets „A Deadly Affair“.

Das Rollenklischee von Schell blieb dabei häufig mit der deutschen Schuld verknüpft. So spielte er in dem 1975 entstandenen Thrillerdrama „The Man in the Glass Booth“ von Arthur Hiller einen reichen Juden in New York, der vom israelischen Geheimdienst als Naziverbrecher vor Gericht gebracht wird und schließlich in der Glaskabine stirbt, in der er sich gegen die Anklage verteidigen muss. Die Anspielungen auf den Fall Eichmann waren deutlich, aber eben auch latent revisionistisch. Und Maximilian Schell war in der Glaskabine des Type-Castings auch bis zu eine gewissen Grad gefangen, wenngleich ihn seine markante Physiognomie für alle möglichen Formen von „dunkler“ Attraktivität infrage kommen ließ.

Seit den siebziger Jahren führte Schell auch Regie. Aus diesem Zusammenhang bleibt vor allem seine Dürrenmatt-Bearbeitung „Der Richter und sein Henker“ in Erinnerung. Die Hauptrolle gab er Jon Voight, den er ein Jahr davor bei der „Akte Odessa“ kennengelernt hatte. So ergab es sich, dass Schell bei der Taufe von Voights Tochter als Pate fungierte: Angelina Jolie. 1979 adaptierte Schell die „Geschichten aus dem Wienerwald“ von Ödön von Horváth. Es wurde einer seiner beliebtesten Filme.

Er genoss dieses Leben

Zwei Dokumentarfilme sind fast so gewichtig wie das umfangreiche Werk als Schauspieler und Regisseur: „Marlene“ (1984) und „Meine Schwester Maria“ (2002) setzen sich jeweils mit einer Frau auseinander, der Maximilian Schell nahestand. Dass sich Marlene Dietrich für den Film nur akustisch aufnehmen ließ, war der Sache insgesamt sogar zuträglich, während die Aufarbeitung seiner Beziehung zu seiner psychisch fragilen Schwester Maria manchmal schmerzhaft ist. Schell deutet hier an, dass das imaginäre Leben auf der Leinwand als Trost dienen könnte, als Entschädigung für so manches Unglück im richtigen Leben.

Er selbst genoss dieses Leben intensiv, die Boulevardpresse fand in ihm immer wieder einen lohnenden Protagonisten, etwa während seiner Liebesgeschichte mit Soraya, der geschiedenen Gattin von Schah Reza Pahlevi. Der unvermeidliche Schal, den er als dandyhaftes Markenzeichen gern um seinen Hals drapierte, trug zu seiner Popularität vielleicht sogar noch bei.

Am Samstag starb Maximilian Schell im Alter von 83 Jahren in Innsbruck nach Komplikationen während einer Rückenoperation. Er hinterlässt seine zweite Ehefrau, die Sängerin Iva Mihanovic, die er im Vorjahr geheiratet hatte, sowie eine Tochter Nastassja aus erster Ehe. BERT REBHANDL