berliner szenen Sommer der Ideen

Zum Kotzen

Gegen zwölf Uhr haben sich etwa 50 Menschen auf dem sonnigen Uni-Innenhof versammelt. Es ist der „Alumni Tag“, den die Universität der Künste (UdK) an diesem Sonntag feiert. In wenigen Minuten soll die UdK als „Ausgewählter Ort 2006“ eine Auszeichnung erhalten: einen Preis, der im Rahmen der Kampagne „Deutschland – Land der Ideen“ ausgelobt worden ist.

Unipräsident Martin Rennert beginnt seine Festrede. Plötzlich wird es unruhig. AktivistInnen, die gegen den Preis demonstrieren, versperren mit einer Plane den Blick zur Bühne. Menschen mit Megafonen brüllen Wortfetzen aus der Kampagne, fordern die Anwesenden auf, sich zu freuen, und geben deutschlandkritische Slogans zum Besten. Andere verteilen Flugblätter, auf denen die von Bundesregierung und BDI initiierte Ideen-Kampagne als „neunationalistisch und sexistisch“ gebasht wird – sehr wörtlich finden die AktivistInnen sie einfach zum Kotzen. Und tatsächlich zieht plötzlich übler Geruch herüber: Menschen erbrechen in Schwarz, Rot und Gold auf den weißen Fliesenboden.

„Die Veranstaltung ist aufgelöst“, ruft eine Aktivistin. Professor Rennert versteht dies als Chance, fortfahren zu können. Sein Versuch misslingt – der Protest geht weiter. Ein Student erklärt in einer Diskussion, dass es unerträglich sei, dass auch „Deutschland-kritische Köpfe und ExilantInnen wie Arendt, Brecht, Einstein, Heine, Marx und Mann für einen neuen Kultur-Patriotismus instrumentalisiert“ würden. Rennert tritt erneut ans Mikro, kündigt an, dass jetzt Musik folgt und sich die Preisverleihung verschiebt. Erst mal haben die AktivistInnen gewonnen. Im Trubel geht später unter, dass zusammen mit ihnen auch der Pokal verschwindet.

BJÖRN KIETZMANN