Toyota fährt mit Beule weiter

AUTOINDUSTRIE Der Branchenprimus verkauft zwar mehr Autos, verliert aber nach der Pannenserie in den USA und China an Boden. Die Antwort darauf: eine Qualitätsoffensive

Derzeit laufen Rückrufe für teilweise mehrere hunderttausend Fahrzeuge

AUS TOKIO MARTIN FRITZ

Auf den ersten Blick haben die millionenfachen Rückrufe seit der Jahreswende nur wenige Kratzer im Lack des weltgrößten Autobauers hinterlassen. Zwischen April und Juni verkaufte Toyota 1,82 Millionen Autos und damit 30 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Auch betriebswirtschaftlich vollzog der japanische Branchenprimus eine Kehrtwende: Ein operativer Verlust von 1,7 Milliarden Euro wurde in einen Gewinn von knapp 1,9 Milliarden Euro verwandelt und damit das beste Ergebnis seit zwei Jahren erzielt. Unterm Strich blieben nach Steuern 1,7 Milliarden Euro nach knapp 700 Millionen Euro Minus im Vorjahr stehen.

Für 2010 ist Toyota sogar so zuversichtlich, dass die Prognose angehoben wurde. Im Geschäftsjahr, das bis Ende März 2011 läuft, will der Autokonzern jetzt 3 Milliarden Euro Überschuss erzielen und knapp 7,4 Millionen Fahrzeuge verkaufen. Läuft also alles bestens für den Hersteller? Wohl nicht. Denn die Zahlen bedeuten zugleich, dass Toyota nicht damit rechnet, in den nächsten neun Monaten mehr Autos als im letzten Vierteljahr zu verkaufen. Auch auf Gewinnsteigerungen hofft die Konzernführung in diesem Zeitraum nicht.

Vergleicht man schließlich die letzten Quartalszahlen mit dem Vierteljahr zwischen Januar und März, als der Konzern mit seinen Rückrufen und einigen spektakulären Unfällen weltweit Schlagzeilen machte, dann hat die Pannenserie doch eher Beulen als Kratzer ins Blech geschlagen. Der Absatz sank nämlich von 2,04 auf 1,82 Millionen Fahrzeuge, und die Produktion wurde um 139.000 Stück heruntergefahren. Der Umsatz schrumpfte um knapp 8 Prozent auf 43,5 Milliarden Euro.

Im Juli blies Toyota der Gegenwind noch stärker ins Gesicht. Auf seinem wichtigsten Absatzmarkt, in den USA, verkaufte der Konzern 3,2 Prozent weniger Fahrzeuge als im Vorjahr, während der Gesamtmarkt um 5,2 Prozent zunahm. Der koreanische Rivale Hyundai verkaufte gar 19 Prozent mehr Fahrzeuge. Das wird auch an den Marktanteilen deutlich: Nur noch 16,1 Prozent der verkauften Autos in den Vereinigten Staaten sind Toyotas. In China ergab sich ein ähnliches Bild: Dort legte Toyota nur um 0,9 Prozent zu, während der Gesamtmarkt um 17,2 Prozent wuchs.

Die Negativschlagzeilen der letzten Monate sind also nicht ohne Wirkung auf die Kunden geblieben. Das wichtigste Toyota-Verkaufsargument – die Qualitätsgarantie – scheint nicht mehr richtig zu ziehen. Daran dürfte sich auch durch Berichte, nach denen sich viele „unbeabsichtigte Beschleunigungen“ in den USA auf das Verwechseln von Gas- und Bremspedal zurückführen lassen, zunächst wenig ändern.

Statt den Kunden Bedienungsfehler vorzuwerfen, versucht Toyota ohnehin, lieber ihr Vertrauen in die Marke wiederherzustellen, indem Fahrzeuge bei Problemen schneller in die Werkstätten zurückgeholt werden als früher. Derzeit laufen daher Rückrufe für teilweise mehrere hunderttausend Fahrzeuge wegen austretenden Sprits, aussetzender Motoren und einrastender Lenksäulen. Zuvor klemmten Gaspedale, rutschten Fußmatten und kippten Geländewagen um. Dies dürfte Neukäufer jedoch eher abschrecken und Altkunden verunsichern. Um die Durststrecke zu überwinden, will Toyota nicht mehr nach höheren Gewinnen und größeren Marktanteilen streben, sondern sich ganz auf Qualität und Kunden konzentrieren.

Die Entwicklungszeit für ein neues Modell wurde für intensivere Tests um vier Wochen verlängert. Rund 1.000 Ingenieure sind zur Qualitätssicherung abgeordnet. In den USA steigt die Zahl der Kundenbüros, die jeder Beschwerde sofort nachgehen sollen, auf 21. „Die Kunden werden entscheiden, ob wir aus den Rückrufen gelernt haben“, sagte Konzernchef Akio Toyoda Mitte Juli. „Wir werden alles tun, um ihr Vertrauen zu verdienen.“