Playlist der Macht

SINGENDE POLITKER Berlusconi als Cantate, Scheel auf dem gelben Wagen – Wyclef Jean hat viele Kollegen

Jetzt also endgültig: Wyclef Jean, ehemaliges Mitglied der Fugees („Killing me softly“), kandidiert bei den Präsidentenschaftswahlen seines Heimatlandes Haiti im November.

Er wäre zwar nicht der erste Politiker, bei dem sich Amtswürde und Sangeskunst verbinden, rein musikalisch stünde der 37-Jährige aber ziemlich konkurrenzlos da. Nur zwei können da mithalten: Der Brasilianer Gilberto Gil, von 2003 bis 2008 Kulturminister im Kabinett des Arbeiterpartei-Chefs Lula da Silva, bekannter aber als Teil der kulturell-politischen Tropicalismo-Bewegung in den 60ern, als er brasilianische Musik mit Pop- und Rock-Einflüssen verband. Ähnlich ist es beim australischen Umweltminister Peter Garrett. Der bewies mit dem größten Hit seiner Band Midnight Oil schon 1988 Amtskompetenz. „Beds are burning“ prangert Klimaerwärmung und Ressourcenverschwendung an.

Danach wird es schwieriger, integre Kandidaten zu finden. In der Kategorie Erfolg kann Exbundeskanzler Gerhard Schröder punkten. Sein von Stefan Raab verwursteter Ausspruch „Hol mir ma ne Flasche Bier“ hielt sich im Jahr 2000 acht Wochen auf Platz 2 der deutschen Charts. Rückblickend war die in salopp-rustikaler Intonationsweise vorgetragene Forderung aber nur ein Flashback in ein Milieu, aus dem sich Schröder politisch schon lange verabschiedet hatte.

Auf Platz fünf der Charts schaffte es Walter Scheel. Der FDP-Mann und spätere Bundespräsident interpretierte 1974 das bekannte Volkslied „Hoch auf dem gelben Wagen“. Ihm angesichts der Ölkrise ein Jahr zuvor visionäre Fortschrittskritik zu attestieren, geht aber wohl zu weit. Wahrscheinlicher ist, dass vom „gelben Wagen“ bis zum „Guidomobil“ eine direkte Abstammungslinie verläuft.

Dem Gesang ist auch Venezuelas Präsident Hugo Chávez nicht abgeneigt. Gemeinsam mit Rafael Correa (Ecuador) und Evo Morales (Bolivien) bildet er Lateinamerikas derzeit erfolgreichste Boygroup. Wenn das Trio öffentlich auftritt, wird fast immer ein Liedchen geschmettert. Im Jahr 2007 beglückte Chávez sein pueblo mit einer Gratis-CD traditioneller venezolanischer Musik: „Canciones de Siempre“ („Lieder für immer“).

Für immer soll auch die Regentschaft Silvio Berlusconis dauern – zumindest wenn es nach ihm selbst ginge. Der Mailänder Multitasker brachte 2006 mit dem neapolitanischen Barden Mariano Apicella eine CD mit dem Titel „L’ultimo amore“ („Die letzte Liebe“) heraus. Auf seine Stimme konnte sich Berlusconi schon immer verlassen. Er finanzierte sein Jurastudium als „Cantante“ auf Kreuzfahrtschiffen. O Silvio mio …

Wyclef Jean scheint jedenfalls schon zu ahnen, welche Tücken das neue Amt haben könnte: In seinem Song „If I was president“ heißt es: „Wenn ich Präsident wäre, würde ich am Freitag gewählt, am Samstag ermordet und am Sonntag begraben.“ Hoffen wir, dass es so weit nicht kommt.

JULIAN JOCHMARING