„Wir müssen da was machen“

Nach zwei Jahren Luftreinhaltekommission in Blumenthal gelobt die Wollkämmerei, ihren Gestank abzustellen. Bürger deckten Mängel im behördlichen Sicherheitsgutachten zur Müllverbrennung auf

von Armin Simon

„Restrisiko“. Es ist der Sprecher der Bremer Wollkämmerei (BWK), der das Wort in den Mund nimmt. Thilo Bothe meint die Schadstoffmessungen am Schornstein der Sondermüllverbrennungsanlage in Bremen-Blumenthal. Beziehungsweise die Wahrscheinlichkeit, dass die Luftproben, die dort stets nach Ankündigung gezogen werden, repräsentativ sind für das, was tatsächlich aus dem Schornstein kommt. Sind sie, ist er überzeugt, zumindest zu 99 Prozent, und wer das nicht wahrhaben wolle, der habe von Statistik keine Ahnung. Der Rest sei „Restrisiko“.

Bothes Unmut gilt den BürgervertreterInnen, die, am Schluss noch fünf an der Zahl, fast zwei Jahre mit VertreterInnen von BWK, Petitionsausschuss, Umwelt- und Gesundheitsbehörde in der „Kommission Umwelt Blumenthal“ um die Emissionen der BWK und ihrer beiden Öfen gestritten haben: der Verbrennungsanlage für flüssigen Sondermüll und des mit Plastikmüll befeuerten Heizkraftwerkes. „Vertrauensbildung auf allen Seiten“, „ein umweltfreundlicher Betrieb der Verbrennungsanlagen“ sowie ein Ende der „Geruchsbelästigungen durch die BWK“ hatte der Moderator der Kommission, Ex-Sozialstaatsrat Hans-Christoph Hoppensack, als deren Ziel ausgegeben. Wobei das Erste nicht zu erkennen ist, das Zweite weiter umstritten und das Dritte definitiv nicht der Fall. „Nach den von uns gemachten Erfahrungen ist es durchaus verständlich, dass sich die ansässigen Bürgerinitiativen für den Klageweg entschieden haben“, resümierte Bürgervertreterin Monika Eichmann gestern bei der Vorlage des Abschlussberichts.

Immerhin: Dass der Gestank nach Ammoniak und Buttersäure, der von Schafurin an der Wolle herrührt und den die hochmoderne Wollwaschanlage in das benachbarte Wohngebiet bläst, die zulässigen Grenzwerte überschreitet, räumt inzwischen auch die BWK ein: „Wir sind uns darüber im Klaren, dass wir da unbedingt was machen müssen“, sagte Bothe. Man habe Ingenieurbüros beauftragt, Vorschläge zu unterbreiten. Allerdings müsse deren wirtschaftliche Machbarkeit geprüft werden.

Was die Abgase der beiden Verbrennungsanlagen angeht, blieben die Fronten verhärtet. Nach Aussage der Umweltbehörde werden alle gesetzlichen Grenzwerte eingehalten, auch durch die zusätzliche Verbrennung von flüssigem Sondermüll, sowie die Umrüstung des Kraftwerks von Kohle auf Plastikmüll habe sich die Luftqualität auch nicht nennenswert verschlechtert. Die BürgervertreterInnen halten die stichprobenartigen und bisweilen nur jährlichen Messungen für nicht ausreichend. Sie fordern eine kontinuierliche Überwachung.

Ein von ihnen beigezogener Sachverständiger wies auf Mängel im gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsgutachten hin, das der TÜV Nord verfasst hat. Insbesondere die Eingangskontrolle der angelieferten giftigen Flüssigabfälle sei mangelhaft, unkontrollierte Reaktionen und Verpuffungen daher nicht auszuschließen. Die Anlage soll nun erneut sicherheitstechnisch begutachtet werden.

Schon im Probebetrieb war es in der Sondermüllverbrennung zu einem Störfall gekommen, eine dunkle Wolke quoll aus dem Ofen. Laut Genehmigung dürfen die Abluftfilter in einem solchen Fall umgangen werden, die Gase ungehindert in die Umgebung entweichen. Wegen des viel zu geringen Abstands zu den Wohngebieten könne die Bevölkerung dann noch nicht einmal rechtzeitig aufgefordert werden, ihre Fenster zu schließen, monierten die BürgervertreterInnen. Im Herbst will die Umweltbehörde alle Beteiligten zu einem weiteren Gespräch einladen.