„Wir brauchen konkrete Anreize zur Aufklärung“

GELDER Projekte müssen unabhängig überprüft werden, fordert Thilo Hoppe von den Grünen

■ Hoppe, 52, ist seit 2002 für Bündnis90/Die Grünen im Bundestag. Seit 2009 ist er stellvertretender Vorsitzender des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

taz: Herr Hoppe, bis zum Jahr 2007 sind in der Kolping-Stiftung Paraguay systematisch Entwicklungshilfegelder veruntreut worden – Einzelfall oder Strukturproblem?

Thilo Hoppe: Ich glaube, es ist kein Strukturproblem. Aber ein Fall, der immer wieder passiert. Allerdings sollte man die Ermittlungen abwarten – erwiesen ist noch nichts. Bis jetzt besteht der dringende Verdacht, dass Gelder unterschlagen wurden.

Warum passiert so etwas immer wieder?

Wir arbeiten in Entwicklungsprojekten mit Partnern zusammen, die nicht viel Geld verdienen. Dort gibt es leider immer wieder Begehrlichkeiten, sich etwas in die Tasche zu stecken.

Was kann getan werden, um die Korruption zu bekämpfen?

Bis jetzt evaluieren die deutschen Entwicklungsorganisationen überwiegend ihre Projekte selbst. Das muss durch eine unabhängige Stelle geschehen, wie durch die aktuelle Reform der Entwicklungsorganisationen auch geplant. Bei privaten und kirchlichen Projekten, die staatliche Mittel erhalten – wie im Fall Kolping – muss häufiger von staatlicher Stelle kontrolliert werden. Hierfür brauchen wir mehr Personal. Auch in den bestehenden Strukturen gibt es Verbesserungspotenzial.

Welches?

Wir brauchen konkrete Anreize zur Aufklärung. Bei Kolping Paraguay wollte der neue Vorstand den Fall aufklären. So etwas darf nicht als Nestbeschmutzung angesehen werden. Ein solcher Einsatz muss honoriert werden. Auch eine Organisation, die zur Selbstreinigung bereit ist, muss belohnt werden. Möglicherweise, indem man gerade dann die Zusammenarbeit fortsetzt.

Im Fall der Kolping-Stiftung kam es bei einem Hausbau zu finanziellen Unregelmäßigkeiten. Muss man bei diesen Vorhaben besonders wachsam sein?

Es ist zumindest wichtig zu schauen, ob die eingesetzten Summen realistisch sind. Das Projekt muss vor Ort abgenommen werden und ein unabhängiger Gutachter muss den Wert des Gebäudes bestätigen. Bloße Kontrolle der Quittungen vom Schreibtisch im Bonner Ministerium reicht nicht aus.

Wie sehen Sie in diesem Fall die Aufklärungsarbeit?

Ich habe große Fragezeichen, was die Rolle des Kolpingwerks in Köln angeht. Ich habe den Eindruck, dass dort große Angst vor einem Imageschaden bestand und die Aufklärungsarbeit in Asunción eher behindert wurde. Das legt zumindest der bestehende E-Mail-Verkehr nahe.

Und das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit?

Das Ministerium hat den Fall sicher ernst genommen. Aber die Vorgehensweise war offenbar sehr bürokratisch. Ich kann nachvollziehen, dass die Betroffenen in Paraguay irgendwann ungeduldig geworden sind. Das langsame Vorgehen des Ministeriums hat für Unmut gesorgt.

Was hätte das Ministerium besser machen müssen?

Es wäre notwendig gewesen, sich mit allen beteiligten Akteuren an einen Tisch zu setzen und zu schauen, wo Gelder veruntreut wurden. Da hätte das BMZ die EU und die Staatsanwaltschaft einladen können. Das wurde versäumt. Ein schnelleres und beherzteres Herangehen wäre gut gewesen.

Hätte Minister Niebel es zur Chefsache machen müssen?

Ja, er hätte der Sache vielleicht mehr Aufmerksamkeit schenken müssen.

Wird der Fall Kolping der Entwicklungshilfe schaden?

Natürlich kann es einen Imageschaden geben. Mein fester Eindruck ist aber, dass die Mehrzahl der Projekte korrekt abläuft. Ich hoffe, dass sich jetzt alle Beteiligten zusammenraufen und den Fall Kolping schnell aufklären. Die Betroffenen müssen endlich ernst genommen werden.

INTERVIEW: GORDON REPINSKI