Kultur für alle 2.0

TEILHABE Reservierung statt Restkarten: Weil die Nachfrage zu gering war, wird das Bremer „Kulturticket“ für Hartz IV-EmpfängerInnen ein halbes Jahr nach seiner Einführung vom Kopf auf die Füße gestellt

Feste Kontingente und eine zentrale Datenbank sollen die kulturelle Teilhabe planbar machen – und somit realistisch

Das Konzept des Kulturtickets soll bis Herbst überarbeitet werden. Das Kulturressort reagiert damit auf dessen äußerst geringe Inanspruchnahme: Lediglich „eine Handvoll“ Berechtigter mache bisher von der vergünstigten Eintrittsmöglichkeit für Empfänger von Hartz IV und anderen Transferleistungen Gebrauch.

Im Januar hatte der rot-grüne Senat eine entsprechende Koalitionsvereinbarung umgesetzt: Er vereinbarte mit zunächst fünf Bremer Einrichtungen wie dem Goetheplatz-Theater und den Philharmonikern die Abgabe von Drei-Euro-Tickets. Allerdings handelt es sich um ein reines Restkarten-Modell. Wenn eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn noch Tickets vorhanden sind, können sie gegen Vorlage spezieller Nachweise erworben werden. Das führt sowohl zur Frustration bei Ausverkauf – die Beteiligung der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen mit ihren stets vollbesetzten Konzerten kann insofern nur als symbolisch verstanden werden – als auch zu unfreiwilligen Outing-Situationen etwa an der Theaterkasse.

Das neue Modell stellt die Idee der erweiterten kulturellen Teilhabe vom Kopf auf die Füße: In einer per Internet zugänglichen Datenbank sollen feste Karten-Kontingente einsehbar sein, die online bestellt werden können. Dazu weisen sich die Interessenten gegenüber Mitarbeitern der Stadtbibliothek oder der Bürgerhäuser aus, die dann die namentlich gekennzeichnete Reservierungen tätigen. Planerische Grundlage sind die Prognosen der einzelnen Einrichtungen über zu erwartende Auslastungsdefizite, insbesondere bei den Werktags-Vorstellungen. Die angestrebte kulturelle Partizipation wird sich also weiterhin vornehmlich auf die Werktage konzentrieren – ist aber langfristig planbar. Derzeit ist die Hochschule für Künste mit der Erstellung von Homepage und Flyern befasst. Ihr Gründungslabor, genannt „Professionals in the Arts“, will sich dabei auch visuell auf den Abbau von Hemmschwellen konzentrieren.

Zudem soll die Beteiligung der Kultureinrichtungen vorankommen. Derzeit bieten 16 Bremer Institutionen das Kulturticket an, die – etwas kompliziert – im Internet unter www.kultur.bremen.de/sixcms/media.php/13/Kulturticket.pdf abrufbar sind. Unter ihnen komplett privat betriebene wie die an der Schlachte liegende MS „Treue“ und das Theaterschiff – letzteres allerdings nur unter der Woche. Bei einer Versammlung sämtlicher Bremer Kultureinrichtungs-Leiter am 28. August steht das Thema auf der Tagesordnung. Henning Bleyl