In Erwartung eines süßen Moments

KAMMERPOP Dorian Wood, schwuler Exzentriker aus Los Angeles, startet heute seine Deutschlandtour

VON JULIANE STREICH

Wenn man Dorian Wood fragt, was Besucher seiner Konzerte erwartet, antwortet er direkt: „Jede Menge Liebe und Terror.“ Und tatsächlich ist der Sound des costa-ricanischen Künstlers Liebe und Terror: Als Mischung aus orchestralen, hymnenartigen Songs, Cabaretunterhaltung und pianolastigen Balladen ließe sich sein Kammerpop beschreiben.

Sich selbst charakterisiert Dorian Wood exzentrisch als „wütenden Schwulen“. Ihn ärgern Menschen, die glauben, auf alles im Leben eine Antwort zu haben. Das sei „ein Mix aus Ignoranz und Faschismus. Ich bin nicht der Schlauste, aber immer noch schlau genug, um zu wissen, dass ich nicht alles weiß“, erklärt er. Vor drei Jahren erzürnte ihn beispielsweise, dass eine Installation der Künstlerin Marina Abramovic zensiert wurde, weil in ihr zu viele nackte Männer gezeigt wurden. Nur nackte Frauen seien okay, gab das Museum of Contemporary Art in Los Angeles als Begründung an. Unbekleidete Männerkörper würden konservative Geschäftsleute abschrecken. Woods Entgegnung war der Song „La Cara Infinita“. Im Video dazu zelebrieren nackte Menschen einen apokalyptischen Tanz, bei dem Männer den beschämten, erniedrigten Part annehmen, von Frauen ruhig beobachtet. Dazu singt Wood mit Partnerin Eddika Organista von der spanischen Mythologie inspirierte Melodien.

Auf „Rattle Rattle“, dem soeben erschienenen dritten Album von Wood, wütet er sich durch Endzeitstimmungen und lässt in ruhigen Momenten ganze Weltanschauungen an seinem tieftraurigen Gesang zerbrechen. Im Netz waren die Songs seit Längerem downloadbar, nun erscheint auch eine Ausgabe auf Vinyl. Diese Auflage finanzierte Wood teilweise mit einer Fundraising-Kampagne. „Die Spenden waren eine große Hilfe“, sagt er, „dennoch musste ich zwei Drittel der Kosten selbst aufbringen.“ 60 Gastmusiker, ein 45-köpfiger Chor, der sich „The Difficult Women“ nennt, und Musikerkollegen wie der Bassist Sebastian Steinberg und die französische Sängerin Nina Savary halfen ihm bei den Aufnahmen.

Über ihrem Getöse steht Woods eindringliche Stimme, die Erinnerungen an Tom Waits, aber auch an Nina Simone weckt. Die Jazzsängerin nennt Wood auch als Einflussgröße. Seine musikalische Ader verdankt Wood seinem Großvater, der ihm schon als kleiner Junge beibrachte, Klavier zu spielen. „Er ist ein brillanter Pianist aus Nicaragua und spielt auch heute noch fantastisch“, erklärt Wood. Seiner Mutter gegenüber, die ihn und seine beiden Schwestern nach der Scheidung der Eltern allein in Costa Rica aufzog, ist er voller Ehrfurcht: Sie lehnte sich gegen den Vater auf und brachte das Geld nach Hause, arbeitete bis spät in die Nacht in einer Bar, die ihr mitgehörte.

„Heimat spielt für mich keine große Rolle“, erklärt Wood, der inzwischen in Los Angeles wohnt. „Durch meinen Zelig-Komplex fühle ich mich den meisten Communitys, mit denen ich zu tun habe, auch zugehörig.“

Vor den Karren von Minoritäteninteressen will sich Wood aber deshalb nicht zerren lassen. Die Erfolge im Kampf für die Anerkennung der Homo-Ehe lassen ihn unbeeindruckt. Dorian Wood betont, dies sei nicht automatisch ein Kampf für allgemeine Gleichheit, da diese doch weit mehr beinhalten würde als nur das Recht auf Heirat. Menschen, die vor allem ihre eigenen Interessen im Blick haben, befürchtet er, „bringen die Gleichberechtigung nicht unbedingt voran“.

Nun kommt dieser kauzige Künstler auf Tour nach Deutschland. Beim letzten Konzert in Berlin tanzte er eine halbe Stunde nackt an einer Stange. „Das war ein sehr süßer Moment“, erinnert er sich. „Ich hoffe, dass ich auf dieser Tour ähnliche Erfahrungen machen werde.“

■ Dorian Wood: „Rattle Rattle“ (Eigenvertrieb)

■ Live: 7. 2., Leipzig, UT Connewitz; 8. 2., Hamburg, Kampnagel; 9. 2., Berlin, Privatclub; 10. 2., Frankfurt, Mousonturm