Politische Berichterstattung von Bloggern nicht erwünscht

AKKREDITIERUNG Die Pressestelle des Deutschen Bundestags erschwert Netzjournalisten die Arbeit

Diese Praxis widerspricht dem Gebot der Gleichbehandlung der Presse

Es ist nicht ganz einfach, Markus Beckedahls politische Berichterstattung zu ignorieren. Vor zwölf Jahren gründete er den Weblog netzpolitik.org und schreibt dort seitdem über die digitale Gesellschaft und die Internetpolitik der Bundesregierung. Dafür wurde er mehrfach ausgezeichnet. Im Jahr 2010 beriefen ihn die Grünen als Sachverständigen in die Enquetekommission „Internet und digitale Gesellschaft“. Die Pressestelle des Deutschen Bundestags indes kümmert das alles nicht.

Beckedahl sei Blogger und kein Journalist, erfuhr er dort. Auf einen Jahresausweis für Pressevertreter im Bundestag müsse er deshalb verzichten.

Beckedahl kann diese Einschätzung nicht verstehen. „Wir gehen davon aus, dass wir hier journalistisch arbeiten“, antwortet er auf seinem Blog: „zudem mache ich das hauptberuflich.“ Mit der Abfuhr der Bundestagspressestelle ist er nicht allein.

In den vergangenen Wochen klagten mehrere Netzjournalisten über Probleme bei der Akkreditierung. Dem Chefredakteur von netzpiloten.de, Tobias Schwarz, wurde Ende Januar der Zutritt zum Medienausschuss verwehrt. Die Begründung der Pressestelle hat er veröffentlicht: „Zu viele Blogger haben versucht sich zu akkreditieren“, lautete die Antwort. Auch Schwarz lebt vom Onlinejournalismus.

Tilo Jung und sein Team, die mit ihrem Webvideoformat „Jung und naiv“ regelmäßig Politikerinterviews produzieren, bekamen vor zwei Wochen keine Jahresakkreditierung. „Eine Begegnung mit Abgeordneten“ sei „nach entsprechender Absprache“ schließlich „jederzeit möglich“, schrieb die Pressestelle – auch in den Häusern des Bundestags und auch ohne Pressezugang. Jung bemüht sich nun um Unterstützung aus der Politik.

Der Streit, ob Publizisten, die ihre Texte ausschließlich für Weblogs schreiben, richtige Journalisten sind, ist nicht neu. Im Jahr 2007 unkte die Frankfurter Allgemeine Zeitung anlässlich der ersten Bloggerkonferenz re:publica: „Ohne die Bezugsgröße Print würden die meisten meinungsführenden Blogs – und zwar nur diese – in sich zusammenfallen wie ein Heißluftballon ohne Flamme.“ Aber die Zeiten haben sich geändert. Mittlerweile sitzen Schreiber, die sich in der Blogosphäre einen Namen gemacht haben, regelmäßig in politischen Talkshows und publizieren auch in etablierten Medien. Die Verzahnung zwischen Weblogs und Printmedien schreitet immer weiter fort. Umso irritierter ist die Netzpolitik-Szene nun von der Reaktion der Bundestagspressestelle. „Blogger vs. Journalist? Get over it!“ schreibt Tobias Schwarz von netzpiloten.de. Bloggerin Vera Bunse hat sich schriftlich an die Pressestelle gewandt. Sie fragt, „ob es eine Kontingentierung für Blogger gibt“. In den Bundestag dürfe, wer seine „hauptberufliche journalistische Tätigkeit“ nachweisen könne, antwortet ihr der Sprecher – ähnlich wie beim Finanzamt oder dem Journalistenverein Bundespressekonferenz.

Für die Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union, Cornelia Haß, wäre eine solche Praxis rechtlich „gar nicht haltbar“, weil sie der im Grundgesetz garantierten Gleichbehandlung der Presse widerspräche.

Publizistin Vera Bunse schreibt auf ihrem eigenen Blog und auf carta.info über Politik – bis heute ohne Presseausweis. Sie argumentiert ähnlich. „Erst war es der fehlende Presseausweis, dann die Kriterien der parlamentarischen Berichterstattung, anschließend die Hauptberuflichkeit, und nun sind wir beim Steuerbescheid gelandet“, schreibt sie an die Pressestelle. „Die Bundestagsverwaltung hat sich an das Grundgesetz zu halten.“ Ähnlich sieht es Netzpolitik-Journalist Beckedahl. Er hat bei der Pressestelle Einspruch eingelegt. KRISTIANA LUDWIG