Great Britain statt Wuppertal-Barmen

Der 19-jährige Patrick Einsle darf als einziger Deutscher auf der Snooker Main Tour mitspielen. Trotz misslungenem Debüt bei der Nordirland Trophy setzt vor allem der TV-Spartensender Eurosport große Hoffnungen in das Talent

WUPPERTAL taz ■ Seine Premiere auf der großen Billardbühne hat der junge deutsche Hoffnungsträger erst mal verpatzt. Mit 0:5 unterlag Patrick Einsle am Wochenende in der Qualifikation zur Northern Ireland Trophy in Prestatyn. „Die fünfzehnstündige Anreise am Tag zuvor steckte mir noch in den Knochen“, sagt Einsle enttäuscht. Doch Grund zu großer Trauer hat er nicht: Der 19-Jährige gehört zu den besten 96 Snookerspielern der Welt. Als erst zweiter Deutscher in der Geschichte des Sports darf Einsle an der Snooker Main Tour teilnehmen. Bislang spielt er für die Barmer Billard Freunde in Wuppertal. Aber Einsles Prioritäten ändern sich – weg von Ligapartien gegen Viersen oder Bielefeld, hin zur Teilnahme an der Profitour zwischen Großbritannien und China: „Ich weiß noch nicht, ob ich weiter Bundesliga spielen kann. Das geht nur, wenn es der Terminplan zulässt.“

Per Telefon informierte ihn die World Snooker Association (WSA) vergangene Woche, dass er den Sprung zu den Profis geschafft hat. Einsle erhält eine Wildcard für die Tour. „Das kam total überraschend“, sagt er. Der gebürtige Füssener war zwar schon deutscher U 19- und U 21-Meister und stand zweimal im Halbfinale der U 19-Europameisterschaften, doch im Snooker bedeutet das wenig. Die Weltspitze stammt fast ausschließlich aus Großbritannien und Irland – wer auf dem Festland mit dem Queue umgehen kann, interessiert dort wenig.

Auch Einsle ist erst in England zum Profi geworden. Er ging in der berühmten Snooker-Akademie von Rushden in die Lehre, wo auch Weltmeister wie Ronnie O‘Sullivan und Peter Ebdon trainieren. Einsle hat sich in England einen Ruf gemacht: Als jüngster Deutscher überhaupt gelang ihm ein so genanntes Maximum Break von 147 Punkten, bei dem 15 rote, 15 schwarze und dann noch einmal sechs farbige Kugeln in festgelegter Reihenfolge gelocht werden müssen.

„Es ist in England unumstritten, dass er der beste kontinentaleuropäische Junior ist“, sagt Rolf Kalb, Kommentator des Spartensenders Eurosport. Deutschlands oberster Snooker-Lobbyist („Ihr, Euer Rolf Kalb“) glaubt, dass es Einsle auf der Main Tour schaffen kann – und dass er nicht wie der bislang einzige Deutsche Lasse Münstermann nach nur einem Jahr auf der Insel scheitert. „Patrick sieht zwar aus wie ein Hänfling, aber er hat eine Bierruhe. Sein Spiel ist sehr stabil“, sagt Kalb.

Neben Einsles Leistungen dürfte aber auch Kalbs Arbeitgeber Eurosport nicht ganz unschuldig daran sein, dass ausgerechnet der Deutsche als Nachrücker für den krebserkrankten Publikumsliebling Paul Hunter auf die Main Tour gebeten wurde. Während in England die Einschaltquoten für den gerade bei jungen Leuten als uncool geltenden Volkssport Snooker sinken, haben die Live-Übertragungen in Deutschland in den vergangenen Jahren einen regelrechten Boom ausgelöst. „Sicher hat die WSA ein Interesse daran, den Markt zu erweitern“, sagt auch Fernsehmann Kalb. Von einer „geschenkten“ Wildcard will er aber nicht reden. Dem Sender ist das ohnehin egal: „Für uns ist es toll, dass Einsle mitspielt“, sagt Sprecher Carlos Bunzel.

Drei Qualifikationsrunden hätte Einsle überstehen müssen, um in die Hauptrunde der Northern Ireland Trophy einzuziehen. Dort hätte ihn dann ausgerechnet der zweimalige Weltmeister und Superstar Ronnie O‘Sullivan erwartet – am „TV-Table“, dem Tisch mit den Fernsehkameras. „Gegen Ronnie im Fernsehen – das wär schon krass“, hatte Einsle vor seiner Qualifikationsniederlage gegen den Engländer Lee Page gesagt. Seine nächste Chance hat der Newcomer aus NRW im September, wenn im nordenglischen Preston die Qualifikationen zum Grand Prix gespielt werden.

KLAUS JANSEN