Bezahlschranken ade

RUCH-REPORT Mit Online Geld verdienen? Mit harten „Paywalls“ gewiss nicht – die mindern Reichweiten

In einem Interview mit der FAZ hat Spiegel-Chefredakteur Wolfgang Büchner einer Bezahlschranke für Spiegel Online eine Absage erteilt: „Ich halte nichts von der Idee, Spiegel Online ganz oder teilweise zu bepreisen.“ Die Leser würden online auf keine „harte“ Paywall stoßen. Zum Lesen eines Textes aus dem digitalen Spiegel (für junge Leser: das ist der „richtige“ Spiegel als App) genügt es zunächst sogar, sich nur zu registrieren. „Wer das Angebot dann aber auf Dauer nutzen will, muss das digitale Heft kaufen oder abonnieren.“

Beim Bezahlmodell herrscht also Klarheit beim Spiegel, der Onlineauftritt wird Marketingplattform, auf der die vielen Millionen Nutzer zum Kauf oder Abo des digitalen Hefts herangeführt werden oder zumindest mal ihre E-Mail-Adresse hinterlegen sollen. Neben der Onlinewerbung werden nun solche indirekten Marketingerlöse ein zweites Standbein der Finanzierung bilden.

Ist damit auch bei den anderen Online-Newsportalen alles klar? Wer aus der zweiten oder dritten Reihe wird es noch wagen, Preisschilder an sein Angebot zu hängen, wenn es der Marktführer nicht macht? Welt und Bild aus dem Hause Springer vielleicht, sie experimentieren ja schon seit einiger Zeit mit Bezahlmodellen. Aber bei denen ist die Strategie sowieso eine andere. Als Unternehmen etwa zehnmal so groß wie der Spiegel, versucht es, seine Größe zu nutzen und das vom Internet geraubte Erbe des einstigen Anzeigengeschäfts der Zeitungsverlage irgendwie zurückzubekommen. Das wird ein langer Marsch mit unsicherem Ausgang.

Die neue, aber eigentlich altbekannte Positionierung des Spiegel zur Frage von Bezahlschranken muss bei den anderen Leitmedien der deutschen Publizistik schlechte Laune machen. Im letzten Jahr schien ja schon fast der Punkt erreicht, wo Süddeutsche, Zeit, FAZ und Spiegel gemeinsam der Bezahlidee anhingen, es nur noch eine Frage der Zeit zu ihrer Konkretisierung war und allenfalls die Vorsicht vor dem Kartellamt zu leiseren Tönen mahnte. Nun gibt es diese Gemeinsamkeiten nicht mehr.

Und was macht die kleine taz? Auch für sie ist die Frage, wie sich ihr Onlineauftritt „rechnet“, von starker Bedeutung. Auch wir brauchen große Reichweiten für unser Marketing. Aber auch zahlende Leser. Die Konsequenz daraus ist unser freiwilliges Bezahlmodell „taz-zahl-ich“. Wer will, dass die taz auch im digitalen Zeitalter als unabhängiges Medium besteht, macht dort mit.Karl-Heinz Ruch

Karl-Heinz Ruch, 59, taz-Geschäftsführer, analysiert hier regelmäßig die Lage der Medienwirtschaft in der Krise.