Im Korsett der Vermittler

Weil sie eine Mutter in den „erotischen Bereich“ schicken wollte, entschuldigt sich die Aachener Arbeitsgemeinschaft. Erwerbslosenforum: Kommunen mit Arbeitsvermittlung überfordert

VON DIRK ECKERT

Die Entschuldigung ließ nicht lange auf sich warten. „Ein solches Vermittlungsangebot hätte nicht gemacht werden dürfen“, stellt der Geschäftsführer der Aachener Arbeitsgemeinschaft (ARGE), Marcell Raschke, klar. Und so muss Thea S. nun doch nicht Prostituierte für die Internetseite einer Erotik-Agentur anwerben. Genau dieses Angebot hatte die ARGE der arbeitslosen zweifachen Mutter aus Aachen nämlich gemacht.

„Außendienstmitarbeiterin im erotischen Bereich“, nannte sich der Minijob, den die ARGE der Frau vermitteln wollte. Als diese bei ihrem künftigen Arbeitgeber anrief, erfuhr sie dann eigenen Angaben zufolge, dass auch „persönlicher und körperlicher Einsatz erforderlich“ ist. Nun schaltete sie einen Anwalt ein. Die Lokalpresse berichtete, Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), die ihren Wahlkreis in Aachen hat, forderte eine Entschuldigung der ARGE und die Rücknahme des Angebots.

Das ist inzwischen passiert, ARGE-Chef Raschke versucht nun, den Schaden zu begrenzen und will sich persönlich um Thea S. kümmern, damit diese eine Stelle findet. Also alles wieder in bester Ordnung? Keineswegs, finden Hartz-IV-Kritiker. Von einem bedauerlichen Einzelfall kann ihrer Ansicht nach keine Rede sein. „Leider kommt es immer wieder vor, dass Sachbearbeiter die Stellenangebote nicht überprüfen“, weiß Martin Behrsing vom Erwerbslosenforum Deutschland in Bonn.

Schlampt der Sachbearbeiter, sind es im Zweifelsfall die Hartz-IV-Empfänger, die das Nachsehen haben. Wenn sie eine angeblich zumutbare Arbeit ablehnen, wird das Arbeitslosengeld II gekürzt: bei der ersten abgelehnten Arbeit um 30 Prozent, bei der zweiten um 60 Prozent, bei der dritten ganz. Widerspruch dagegen kann eingelegt werden, hat aber keine aufschiebende Wirkung. Die Betroffenen bekommen also kein Geld mehr. „Zum Teil liegen solche Widersprüche dann über ein Jahr rum“, berichtet Behrsing.

Was abgelehnt werden darf, hängt vom Einzelfall ab und damit vom Wohlwollen der Sachbearbeiter. Es gilt: „Es ist alles zumutbar, was nicht sittenwidrig ist“, sagt Walter Marquis, Sprecher der NRW-Arbeitsagentur. Als an sich sittenwidrig gelten der Arbeitsagentur nur Jobs, die 30 Prozent unter Tariflohn bezahlt werden. Der Rest ist Ermessenssache. Vegetarier können also nur hoffen, nicht in den Schlachthof geschickt zu werden.

In die Prostitution allerdings vermittelt die Arbeitsagentur gar nicht, auch wenn sie der Gesetzgeber nicht mehr als sittenwidrig ansieht. Anders sieht es im „Erotikbereich“ aus. Hier nimmt die Arbeitsagentur Angebote entgegen, veröffentlicht sie aber nicht. Herausgegeben werden dürfen sie nach den agenturinternen Richtlinien nur auf Anfrage. Wer Barkeeper in einem Bordell werden will, kann sich weiter also vertrauensvoll an seine lokale Arbeitsvermittlung wenden.

Oft sind die Grenzen auch fließend. Was ist mit dem Webmaster, der eine Erotikwebseite betreuen soll? Und der Putzfrau, die sein Büro wischt? Genaue Regeln gibt es nicht. „Es ist natürlich immer eine Gratwanderung“, sagt Agentursprecher Marquis. Man müsse eben jeden Einzelfall prüfen. „Der Fehler in Aachen war, dass das Angebot der Frau nicht deutlich unterbreitet wurde“, findet er.

Die Aachener ARGE hat inzwischen ihre Konsequenzen aus dem Fall gezogen. Künftig sollen keine Jobs mehr in der Erotikbranche vermittelt werden. Für das Erwerbslosenforum macht der Aachener Fall aber auch deutlich, dass die Arbeitsgemeinschaften, die von Kommunen und Arbeitsagentur getragen werden, grundsätzlich überfordert sind mit ihrer Aufgabe. „Die Angebote müssten wesentlich schärfer kontrolliert werden“, fordert Behrsing. „Die Kommunen meinen, sie können alles besser. Dabei haben die ARGEn überhaupt keine Erfahrung in der Arbeitsvermittlung.“