Wenn die Beine nicht mehr kommen

Denis Wucherer, der 123 Spiele für die Basketballnationalmannschaft bestritten hat, musste erkennen, dass sein 33 Jahre alter Körper der Herausforderung Spitzensport nicht mehr gewachsen ist, und hat seinen Rücktritt erklärt

KÖLN taz ■ Peripheres Sehen und Antizipation sind sehr wichtig im Basketball. Dann ist es ein bisschen so, also ob man in die Zukunft schauen könnte. Als Aufbauspieler verfügt der 33-jährige Denis Wucherer über diese Begabung. Zu wissen, was der Gegner oder der eigene Mitspieler vorhat, kann der entscheidende Vorteil sein, in einem Spiel, das von Athletik und Dynamik geprägt ist. Dazu gehört auch die Fähigkeit zu erkennen, wann es nicht mehr geht, wann der Punkt erreicht ist, an dem der eigene Anspruch das Leistungsvermögen abgehängt hat.

Wenn Nowitzki & Co. heute (20 Uhr) in Berlin gegen die Türkei zum Supercup auflaufen, endet Wucherers Karriere im Nationaltrikot nach 123 Spielen. Gemeinsam mit den Kollegen Marko Pesic und Stephen Arigbabu wird er vom Deutschen Basketball-Bund (DBB)am Samstag offiziell verabschiedet.

Dass er der Mannschaft bei der WM in Japan (19. August bis 3. September) nicht mehr helfen kann, erkannte Wucherer vor zwei Wochen beim Trainingslager auf der Baleareninsel Mallorca. „Er kam zu mir und sagte, dass er nun seit sieben Tagen vergeblich darauf warte, dass seine Beine zurückkommen“, berichtet Bundestrainer Dirk Bauermann. Der Trainer hatte Wucherer 1992 von Langen nach Leverkusen geholt. Die ersten drei Monate übernachtete der damals 18-Jährige auf seiner Couch. Gemeinsam gewannen sie in den 90ern fünf deutsche Meisterschaften. Und gemeinsam hatten sie beschlossen, dass der Routinier bis zum Fernziel Olympia 2008 durchhalten solle. „Es wurde aber schnell deutlich, dass Denis selbst im Training nicht mehr dominant war“, so Bauermann. „Ich dachte, ich beiße mich durch. Aber zum Schluss war sogar ein einfacher Korbleger eine Qual“, gesteht Wucherer.

Warum er nicht schon im letzten Jahr nach dem Gewinn der EM-Silbermedaille Schluss gemacht hat, liegt daran, dass Wucherer die fetten Jahre verpasst hatte. Als das DBB-Team 2001 in Belgrad überraschend Vierter wurde, zweifelte der damalige Bundestrainer Henrik Dettmann seinen Fitnesszustand an. Auch ein Jahr später, beim Gewinn der WM-Bronzemedaille, war Wucherer nicht dabei. „Es hing mir immer noch nach, dass Dettmann mich um drei Sommer mit der Nationalmannschaft gebracht hat.“

Spielerisch, glaubt Wucherer, sei die Mannschaft 2006 mit dem wieder genesenen Ademola Okulaja und den Neuen Jan Jagla und Julian Sensley „genauso gut, wenn nicht besser als bei der EM“. Aber gerade in dieser Mannschaft ginge es darum, sich einzubringen. „Wenn Dirk (Nowitzki) in wichtigen Spielen 40 Minuten auf dem Feld ist, muss man das erst einmal akzeptieren.“ Um zu erläutern, warum nicht immer die besten Athleten die erfolgreichste Mannschaft stellen, erzählt Wucherer eine Geschichte aus dem letzten Sommer. Nachdem die Mannschaft bei einem Vorbereitungsturnier in Griechenland drei demütigende Schlappen kassierte, trafen sich die Spieler unter Ausschluss der Trainer zu einer Krisensitzung: „Da haben vor allem die Veteranen wie Marko, Stephen und ich gesagt, dass es so nicht weitergeht.“

Konfrontationen hat der eloquente Wucherer, der sein Abitur mit einem Schnitt von 1,8 absolvierte, nie gescheut. Als die Basketball Bundesliga vor einem Jahr die Ausländerbeschränkung aufhob, war er Mitinitiator des Aktivenbündnisses „Made in Germany“. „Einen Typen wie Wucherer sollte der DBB unbedingt in eine Funktion einbinden“, so Bauermann. Mit einer konkreten Aufgabe versehen, könnte er sich das auch gut vorstellen, so Wucherer. Nur den Frühstücksdirektor wolle er nicht geben, dazu ist er zu weitsichtig.

MARTIN FÜNKELE