Versuche am lebenden Objekt

Ein US-Biotech-Unternehmen hat neues Durchfall-Medikament in Peru an Kindern getestet. Kritiker sagen, ohne ausreichende Aufklärung der Eltern

Das US-Unternehmen Ventria Bioscience ist Kummer gewöhnt. Zweimal schon musste das in Sacramento, Kalifornien, beheimatete Biotech-Unternehmen seine Feldversuche mit gentechnisch veränderten Reispflanzen in einen anderen Bundesstaat verlegen. Der Grund: Reisfarmer hatten erfolgreich dagegen protestiert – aus Angst, dass die zur „Pharmafabrik“ umfunktionierten Ventria-Pflanzen ihre Ernte verunreinigen. Jetzt wird Ventria beschuldigt, die von den Gentech-Pflanzen produzierten und noch nicht zugelassenen Medikamente gegen gefährliche Durchfallerkrankungen illegal in Peru an 140 Kleinkindern getestet zu haben.

Vor wenigen Wochen erst gab Ventria bekannt, dass im Jahr 2004 durchgeführte erste Tests mit den aus den transgenen Reispflanzen isolierten menschlichen Proteinen Lactoferrin und Lysosym erfolgreich verlaufen sind. Es konnte gezeigt werden, so heißt es in der Mitteilung, dass durch diese beiden normalerweise in der Muttermilch vorkommenden antibakteriellen Enzyme der Krankheitsverlauf drastisch verkürzt werden kann.

Im Vergleich zu der von der WHO empfohlenen Standardtherapie mit einer nährstoffreichen Glukose-Salz-Lösung konnte durch die zusätzliche Verabreichung von Lactoferrin und Lysozyme erreicht werden, dass die Kinder im Durchschnitt zwei Tage früher gesundeten. Anstatt nach durchschnittlich 5,21 Tagen konnten die Kinder dank der Ventria-Mittel nach 3,67 Tagen als geheilt entlassen werden. Dadurch konnte auch die durch den akuten Durchfall ausgelöste lebensgefährliche Austrocknung des Körpers erheblich reduziert werden. Aufgrund von Durchfall und der damit einhergehenden Dehydrierung sterben in Peru jedes Jahr rund 7.000 Kinder unter fünf Jahren.

Durchgeführt wurden die Kinderversuche an zwei verschiedenen peruanischen Kliniken. „Wir haben alle erforderlichen Bedingen eingehalten“, verteidigt die von Ventria beauftragte Studienleiterin Nelly Zavaleta vom Instituto de Investigación Nutricional in Lima die klinischen Studien. Mehrere Ethikkommissionen – unter anderem auch eine in den USA – sollen die Versuche vorab begutachtet haben. Auch das peruanische Gesundheitsministerium hatte zuvor eine Genehmigung erteilt. Alle Eltern der 5 bis 33 Monate alten Kinder hätten zudem ihre Zustimmung für den Heilversuch abgegeben.

Das könne keine „informierte Einwilligung“ gewesen sein, bezweifelt der Gynäkologe und Sprecher einer kleinen peruanischen Ärzteorganisation, Herberth Cuba, die Rechtfertigungen. Zu einer informierten Zustimmung, wie sie international für medizinische Versuche gefordert sei, so Cuba, gehöre auch, dass die Einwilligenden vollständig informiert werden und auch verstehen, was sie unterschreiben.

Cuba, der die Medikamententests in Peru öffentlich machte, weist auch darauf hin, dass die Ventria-Substanzen bisher noch in keinem einzigen Land zugelassen sind – „selbst in den USA nicht“. Cuba ist überzeugt, dass die Versuche nur deshalb in Peru stattfanden, weil dort die Einhaltung der Gesetze nicht so streng kontrolliert werde. Er fordert von der Regierung eine lückenlose Aufklärung. WOLFGANG LÖHR