„Mafiöses Kartell der Arbeitgeber und Ver.di“

Ärztegewerkschafter Frank Ulrich Montgomery kritisiert, dass die Arbeitgeber Ärzte gegen Pfleger ausspielen

taz: Warum streiken die Ärzte immer so lange, bis ihnen Ver.di zuvorkommt?

Frank Ulrich Montgomery: Dieser Kampf war vorhersehbar. Wir führen eine klassische politische Auseinandersetzung dagegen, dass Ver.di seinen Allmachtsanspruch für den gesamten öffentlichen Dienst durchsetzt. Und die Arbeitgeber ziehen immer wieder die taktische Variante, dass sie die tarifliche Auseinandersetzung mit der politischen vermengen. Diese Masche der Arbeitgeber, die beiden Gewerkschaften gegeneinander auszuspielen, funktioniert aber nur jetzt. Ab dem Zeitpunkt, wo wir einen arztspezifischen Tarifvertrag haben, werden wir den allein weiter verhandeln.

Auf wen sind Sie wütender: auf die Arbeitgeber oder auf Ver.di?

Ich bin nicht wütend. Es geht hier um ganz normale politische Konflikte. Aber es gab für Ver.di überhaupt keinen Grund, einen neuen Tarifvertrag zu verhandeln. Der TVöD gilt nämlich bis 2009. Hier sieht man ein mafiöses Kartell zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Ver.di wurden 35 Euro für jeden Mitarbeiter geschenkt, aber auf der anderen Seite hat Ver.di dafür den Billigheimer gemacht und diesen Tarifvertrag angenommen. Jetzt müssen die Krankenhäuser mehr für Pflegepersonal und andere Mitarbeiter bezahlen, doch die Streiks sind nicht zu Ende, sondern werden intensiviert.

Was machen die Ärzte jetzt? Weiterstreiken und dann im Wesentlichen den Tarifvertrag von Ver.di übernehmen?

Den Tarifvertrag von Ver.di werden wir nicht übernehmen. Die Kliniken werden von den Arbeitgebern fordern, endlich einen vernünftigen Tarifvertrag zu machen, damit die Streiks aufhören. Fast 50 Krankenhäuser waren übrigens schon so klug und haben Tarifverträge mit uns abgeschlossen, die wesentlich besser sind als das, was jetzt als TVöD abgeschlossen wurde.

Viele kommunale Kliniken arbeiten am Rande der roten Zahlen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft prophezeit Schließungen – streiken sich die Ärzte die Arbeitsplätze weg?

Nein, diese Krankenhäuser werden nicht wegen der Streiks geschlossen, sondern wegen der Unterfinanzierung im Gesundheitswesen. Ein Krankenhaus, das aus gesundheitspolitischen Überlegungen nicht überlebensfähig ist, kann nicht mit tariflichen Mitteln gerettet werden.

Zwei Drittel der Kosten in Kliniken sind Personalkosten.

Ja, und davon sind nur 15 Prozent Kosten für Ärzte. Unsere Forderungen treiben die Krankenhäuser nicht in den Ruin.

Chefärzte können auch an kommunalen Kliniken auf etwa 300.000 Euro Jahresgehalt kommen. Wieso thematisiert der Marburger Bund nicht stärker Gehaltsunterschiede innerhalb der Ärzteschaft?

Das tun wir. Wir haben uns immer für ein Teamarztmodell mit einer besseren Vergütung für Ober- und Fachärzte eingesetzt. Die meisten neu eingestellten Chefärzte verdienen aber nur noch ein Bruchteil dessen. Ich finde aber, dass ein leitender Arzt einer kommunalen Klinik 100.000 bis 300.000 Euro Jahresgehalt absolut verdient hat, auch wenn man das vergleicht mit den Gehältern, die in Industrieunternehmen gezahlt werden. Wenn wir nicht bereit sind, so viel zu bezahlen, bekommen wir keine guten Leute mehr.

INTERVIEW: ANNA LEHMANN