One Billion Rising For Justice

Am Freitag wird wieder weltweit auf den Straßen getanzt – gegen Gewalt an Frauen und Mädchen und für ein selbstbestimmtes Leben. In Berlin geht’s zum Brandenburger Tor

■ Jahrgang 1964, staatlich geprüfte Gymnastiklehrerin und Leiterin des Centre Talma und des MädchenSportZentrums des VSJ, einer Initiative der Sportjugend Berlin.

INTERVIEW JÖRN ALEXANDER

taz: Liebe Bettina Fernández, am Freitag dürfte es wohl voll werden. Wie viele Menschen erwarten Sie denn so am Brandenburger Tor?

Bettina Fernández: Wir freuen uns über alle und hoffen auf ganz viele, und momentan verspricht der Wetterbericht ja auch milde 8 Grad. Der Bekanntheitsgrad von One Billion Rising (OBR) ist international merklich gestiegen. Alle netzwerken, wo sie nur können. Letztes Jahr waren wir nach Angaben der Polizei circa 5.000 Menschen auf dem Pariser Platz. Diesmal wird die Straße des 17. Juni gesperrt und die Dance-Demo zieht somit auf die westliche Seite des Brandenburger Tors. Es gibt also ausreichend Platz und es wäre doch fantastisch, wenn Berlin diesen füllen kann, um ein Zeichen in die Welt zu schicken – dass endlich Schluss sein muss mit Gewalt an Mädchen und Frauen und ihnen Gerechtigkeit widerfährt!

Die erste Aktion im letzten Jahr war ein Riesenerfolg. Wie kam es dazu, dass Sie als Mädchensportzentrum Centre Talma so eine große Demonstration veranstalten?

Wir hörten im Oktober 2012 von One Billion Rising, von Eve Ensler und der Initiative V-Day und es fiel der Satz: „Ihr wärt doch als Berlinerinnen prädestiniert dazu, was am Brandenburger Tor zu veranstalten!“ Wir sahen das OBR-Video im Netz und sofort war klar, dass wir etwas machen. Seit 20 Jahren transportieren wir im Centre Talma schwierige Jugendthemen mittels des Tanzes. Wir sind täglich fasziniert von der positiven Energie, die über den Tanz frei wird, und sehen, dass damit Veränderungen bewirkt werden kann.

„One Billion Rising“ hat ja eine eigene Hymne und eine eigene Choreografie dafür. Die werden sie dann bestimmt auch aufführen?

Wir tanzen zweimal zu dem Song „Break The Chain“ in der Zeit von 17 bis 17.30 Uhr. Die internationale Choreografie haben wir vereinfacht ins Netz gestellt, um auch Nichttänzer_innen zu motivieren, dabei zu sein. Das Tanzlernvideo findet ihr im Netz auf unserer Webseite vom Center Talma.

Mit „One Billion Rising“ wird gegen Gewalt an Frauen protestiert. Das ist ein Thema, das in den Medien eher mit Ländern wie Indien in Verbindung gebracht wird. Müssen sich die Frauen auch in Deutschland erheben?

Ja, denn eine Milliarde Frauen und Mädchen haben in ihrem Leben Gewalt erfahren, laut der UN. Deshalb erheben sich Frauen und Männer. Die drastischen Vorfälle in Indien haben das Thema weltweit in die Öffentlichkeit gebracht. Das Ausmaß der Gewalt an Frauen ist dort und an vielen Orten auf der Welt unvorstellbar. Aber leider sind auch hierzulande nach wie vor und in hoher Zahl Mädchen und Frauen von häuslicher und sexueller Gewalt betroffen. In einem freien Land wie Deutschland müssen wir die Möglichkeit zu demonstrieren auf jeden Fall nutzen. Für uns ist es besonders beeindruckend, dass sich überall auf der Welt so viele junge Menschen am selben Tag über das Medium Tanz öffentlich positionieren und solidarisieren.

 Freitag, 14. Februar

Zentrale Dance Demo und Kundgebung, 17 Uhr, Brandenburger Tor, organisiert vom Centre Talma

centre-talma.de

■ In Berlin und weltweit finden am 14. Februar zahlreiche Veranstaltung im Rahmen von OBR statt. Ausführliche Informationen und alle Termine gibt es online unter:

onebillionrisingforjustice.de

Dieses Jahr haben sich viele Frauenverbände zusammengetan und Forderungen an die Politik formuliert. Unterstützen Sie diese Forderungen und werden diese auch am Brandenburger Tor vorgetragen?

Wir schließen uns den Forderungen der Bundesweiten Frauenverbände an, haben sie auf unserem Flyer zur Dance-Demo veröffentlicht und werden sie auf jeden Fall am Freitag vortragen. Erstens, der Rechtsanspruch auf Schutz und Unterstützung für Betroffene von häuslicher und sexualisierter Gewalt; zweitens eine eigenständige Existenz von benachteiligten Gruppen und Überlebenden von Gewalt und Menschenhandel sichern; drittens diskriminierende Darstellung von Frauen und Männern in den Medien unterbinden. Besonders die dritte Forderung ist auch Bestandteil unserer täglichen Arbeit im Centre Talma. Seit 2005 gehen wir mit dem Projekt „Respect Girls“ an die Öffentlichkeit.

Im letzten Jahr wurde „One Billion Rising“ als Graswurzelbewegung wahrgenommen. Das Thema hat einen Nerv getroffen und sich über das Internet in alle Welt verbreitet. Stimmt dieser Eindruck?

Wenn Graswurzelbewegung eine gesellschaftliche Initiative beschreibt, die aus der Basis der Bevölkerung entsteht, und wenn der französische Schriftsteller Victor Hugo mit seiner Behauptung recht behält, die da lautet: „Nichts ist stärker als eine Idee, deren Zeit gekommen ist“ – dann stimmt wohl dieser Eindruck.