López Obrador kämpft für Neuauszählung

Tausende Anhänger des bei den Wahlen knapp unterlegenen Kandidaten blockieren weiter Mexiko-Stadt

MEXIKO-STADT taz ■ Der Streit um den Ausgang der mexikanischen Präsidentschaftswahl spitzt sich weiter zu. Zeltlager, Versammlungen und unzählige Stände der Partei der Demokratischen Revolution (PRD) legten über die Woche hinweg das Zentrum von Mexiko-Stadt lahm. Aus dem ganzen Land reisten Anhänger des unterlegenen PRD-Kandidaten Andrés Manuel López Obrador an, um eine Neuauszählung der Stimmen zu fordern.

Der gemäßigt linke López Obrador bekräftigte indes den Vorwurf, sein konservativer Konkurrent Felipe Calderón habe die Wahlen nur durch einen groß angelegten Betrug gewonnen. Man werde erst Ruhe geben, wenn „Stimme für Stimme, Wahllokal für Wahllokal“ neu ausgezählt würden, stellte er am Donnerstag vor seinen Anhängern im Zentrum der mexikanischen Hauptstadt klar. Zuvor hatten einige hundert Menschen mehrere Stunden lang die Zugänge zur mexikanischen Börse blockiert.

Mit der Radikalisierung des von López Obrador ausgerufenen „zivilen Widerstands“ hat sich auch der Ton der Gegenseite verschärft. Die politische Front verläuft vor allem zwischen der von Calderóns Partei der Nationalen Aktion (PAN) gestellten Bundesregierung und dem PRD-geführten Bürgermeisteramt der Hauptstadt. Mexikos Innenminister Carlos Abascal bezeichnete die 47 Protestcamps, die sich zehn Kilometer entlang der Prachtstraße „Reforma“ ziehen, als „illegale Blockaden“. Er rief den PRD-Bürgermeister Alejandro Encinas dazu auf, „für Ordnung zu sorgen und die Freiheit aller Bürger zu gewährleisten“. Encinas sieht jedoch keinen Handlungsbedarf. Die Lokalregierung unterstützt vielmehr die Infrastruktur für die Zeltlager.

Unternehmervertreter sprechen indes von Millionenverlusten. Etwa die Hälfte der Hotelreservierungen sei gestrichen worden, 32.000 Geschäfte und Betriebe müssten herbe Einbußen hinnehmen, erklärte der Präsident der Nationalen Kammer für Handel, Dienstleistungen und Tourismus, Antonio Mahbub Sarquis. Auch Mitstreiter von López Obrador kritisieren die Aktionen. Schriftsteller Carlos Monsiváis hält die Blockaden für eine „unsensible Sache“, durch die man die arme Bevölkerung schädige. Andere befürchten eine unkalkulierbare Eskalation.

Für Javier Ocampo steht diese Befürchtung nicht im Vordergrund. „Es geht nicht nur um López Obrador, sondern um die Demokratie“, sagt der dunkelhäutige Mann, der mit einigen hundert Mitstreitern aus dem Bundesstaat Guerrero angereist ist. Seit Anfang der Woche schläft er in einem der Großraumzelte, zwischen Stellwänden und Holzkisten, in denen Lebensmittel lagern. Das Essen bringen die PRD-Leute aus der Hauptstadt, und auch geduscht wird bei Unterstützern. Ocampo sagt: „Wir bleiben hier, bis das Bundeswahlgericht eine Entscheidung über die Nachzählung gefällt hat.“

Viele Beobachter gehen davon aus, dass das bald geschieht, damit die Situation nicht weiter eskaliert. Das Gericht muss darüber befinden, ob die bei der Wahl vom 2. Juli abgegebenen Stimmen teilweise oder komplett neu ausgezählt werden müssen. Anfang der Woche haben die Richter eine entsprechende Klage der PRD angenommen.

Nach bisherigen Auszählungen hat Calderón mit einer Mehrheit von 0,58 Prozent der Stimmen gewonnen. Die PRD spricht von Unregelmäßigkeiten in 70.000 der 130.000 Wahllokale, die PAN besteht darauf, dass die Wahl „sauber und transparent“ abgelaufen sei. Bis spätestens Ende August müssen die Richter eine Entscheidung treffen. Sollten sie Calderón Recht geben und die Wahl ohne Nachzählung für gültig erklären, wird López Obrador wohl weiter mobilisieren. Schließlich werde man, so erklärte er, „keinen falschen Präsidenten akzeptieren“.

WOLF-DIETER VOGEL