Taxifahrer werden zu Menschen

DROSCHKEN Sie gelten als unhöflich, schnodderig und bisweilen kriminell: Berliner Taxifahrer haben ein schlechtes Image. Das soll sich jetzt ändern: In Kursen lernen „VIP“-Fahrer, wie man galant mit Kunden umgeht

■ Rund 7.600 Taxis fahren durch Berlin. Den größten Brocken – etwa 5.500 – vermittelt Taxi Berlin, die mit Abstand größte Funkzentrale Deutschlands. Die meisten anderen gehören zur WBT – sie betreibt die Rufsäulen.

■ Der Verkehrsclub VCD sieht Taxis als „Teil des Umweltverbundes, neben ÖPNV, Fahrrad und Carsharing“. Für den verkehrspolitischen Sprecher Gerd Lottsiepen können Taxis „bei der Entscheidung helfen, ohne eigenes Auto zu leben“. Sehr erfreulich findet er den wachsenden Bestand an CO2-ärmeren Hybridtaxis. Nur deutsche Hersteller hätten die Zeichen der Zeit nicht erkannt und noch keinen Hybridkombi entwickelt. (clp)

VON CLAUDIUS PRÖSSER

„Verzeihen Sie bitte, mein Chef ruft gerade an“, sagt Mustafa Sönmez, bevor er die Freisprechanlage betätigt. Das Taxi taucht derweil flüsternd in den Tiergartentunnel ein. Gern, denkt man, und dass die höfliche Nachfrage auf jeden Fall zum besonderen Service gehört. Der 30-Jährige mit dem akkurat getrimmten Bärtchen gehört zu den ersten Berliner Taxifahrern, die sich ein „VIP“-Schild im Scheckkartenformat hinter die Windschutzscheibe stecken dürfen.

Dahinter steht das offizielle Versprechen, mehr als nur unfallfrei von A nach B gebracht zu werden. Wer Fahrgäste im neuen „Premiumservice“ kutschiert, ist – so heißt es – freundlich und hilfsbereit, spricht ausreichend Englisch und akzeptiert grundsätzlich Kartenzahlung. Auch verunziert kein Stäubchen Sönmez’ Wagen, es riecht nicht nach kaltem Rauch und auch nicht nach Vanilleduftbäumchen. Das Gefährt ist nagelneu, vor jeder roten Ampel legt der Motor automatisch eine Pause ein.

In erster Linie aber geht es um den menschlichen Faktor bei der „VIP“-Initiative, hinter der mehrere Taxiverbände und die größte Funkzentrale der Stadt, Taxi Berlin, stecken. Fahrer können sich für ein zweitägiges Seminar bewerben, bei dem sie verkehrsrechtliche Kenntnisse vertiefen, ihren Fahrstil und vor allem den Umgang mit Kunden optimieren sollen. „Am wichtigsten ist es, immer höflich zu bleiben“, sagt Sönmez, „egal wie der Kunde gelaunt ist.“ Und wenn es doch einmal hart auf hart kommen sollte, müsse man Verbalattacken gekonnt ignorieren.

Wer öfters am Straßenrand nach einer Mitfahrgelegenheit in Hellelfenbein Ausschau hält, weiß, dass das nicht zwingend so ist. Mal brummelt ein Chauffeur Unverständliches in seinen Bart, mal wird der hilflose Kunde zugetextet oder agitiert. Auch großzügige Routenplanungen soll schon vorgekommen sein. Gerade steht ein Droschkenkutscher vor Gericht, unter anderem weil er einem mexikanischen Touristen 400 Euro abknöpfte – für zehn Kilometer Fahrt.

Auch wenn das Ausnahmen sind, leicht hat es die Branche nicht: „Der Konkurrenzdruck wächst“, sagt der Vorsitzende des Berliner Taxiverbands, Detlev Freutel, der auch das „VIP“-Schulungsprogramm konzipiert hat. Es gebe immer mehr „Mobilitätsketten“ – also Kooperationen, bei denen etwa Flugpassagiere nach Ankunft auf den Mietwagen umsteigen. Carsharing-Angebote wie car2go werden ausgebaut, und Firmenkunden ordern gern mal den Limousinenservice, auf dessen Qualität sie sich verlassen können. „Deswegen haben wir Unternehmerverbände alle Eitelkeiten begraben und uns zusammengesetzt“, sagt Freutel. Wenn schon an den vom Land festgesetzten Tarifen nicht zu rütteln ist, soll Taxifahren eben wieder Laune machen.

An die 800 Chauffeure werden dieses Jahr noch per Schulung veredelt, so der Plan. Das wären gerade einmal 5 Prozent der Fahrer in der Datenbank von Taxi Berlin. Geordert werden können sie vorläufig nur von Großkunden wie Hotels. Auf der Straße anhalten darf sie aber jeder, einen Aufpreis gibt es nicht.

„Wenn das nicht ein Nischenangebot werden soll, dann könnte es was bringen“

TAXI-BLOGGER SASCHA BORS
Kritik von Taxi-Bloggern

Nicht jeden überzeugt der Plan. „Scheinheilig“ findet Aro Kuhrt (berlinstreet.de), einer von mehreren bloggenden Taxifahrern in Berlin: In den Kursen lernten die Kollegen „genau das, was man als Taxifahrer sowieso beherrschen sollte: den korrekten Umgang mit den Kunden, wie man sein Auto sauber hält und dass man alten Omas beim Ein- und Aussteigen helfen sollte“. Laut Kuhrt handelt es sich schon um die vierte Qualitätsoffensive in seinen zwölf Jahren auf dem Bock. Gebracht hätten diese wenig.

Skeptisch ist auch sein Kollege Sascha Bors (gestern-nacht-im-taxi.de): „Qualität hat nie eine Rolle gespielt“, findet er. „Firmen stellen jeden ein, der Fahrer werden will, und auch die Funkzentralen nehmen jeden Fahrer.“ Trotzdem ist er angesichts der „VIP“-Initiative verhalten optimistisch: „Wenn das nicht nur ein Nischenangebot für ein paar Hotels werden soll, dann könnte es was bringen.“ Für ihn selbst sei es jedenfalls nichts, so Bors, er fahre ein altes Auto und habe keinen Kartenleser. „Aber ‚den Fahrgästen das Gesicht zuwenden und sie begrüßen‘, wie man es unter anderem in dem Kurs lernt, glaube ich, auch so hinzukriegen.“